mit Gabriel Kamudu, Manager von Craft Aid, Textilfirma, Mauritius
Andrea Schlehuber, Geschäftsführerin EZA Fairer Handel
Reinhold Diem Betriebsrat bei F.M.Hämmerle, Gewerkschafter
sowie Rafaela Rudigier, ORF, Moderation
Gertraud Wohlgenannt, Übersetzerin
Vor einem voll besetzten Saal erklärte Gabriel Kamudu die Geschichte der wirtschaftlichen Entwicklung Mauritius' und auch von Craft Aid, einer Firma, die sich dem fairen Handel verpflichtet fühlt.
Mauritius wurde von Portugiesen, Holländern, Franzosen und Briten kolonisiert. Diese Mächte führten Zuckerrohr auf der Insel ein, der von afrikanischen SklavInnen und indischen PlantagenarbeiterInnen bearbeitet wurde. Zuckerrohr war über lange Zeit das einzige Exportprodukt der Insel. 1968 wurde Mauritius unabhängig und zog ab 1975 durch niedrige Steuersätze und andere Vorteile für ausländische Betriebe eine Textilindustrie an, die innerhalb kürzester Zeit 90 000 Arbeitsplätze aufwies (auf 1,2 Millionen EinwohnerInnen).
Ab 2003/04 wurden diese Steuererleichterungen jedoch gestrichen, sodass die mauritianische Textilindustrie 25 000 Jobs verlor – die in andere Länder, die noch billigere Produktionsmöglichkeiten bieten, „weiter zogen“. Heute lebt die Insel neben dem Zucker- und Textilexport vor allem vom Tourismus. Textilien stellen aber weiterhin 42% des Warenexports. Hauptkunden sind die USA, Großbritannien und Frankreich.
Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie
Es existiert ein System von Minimallöhnen (3200 Rupies, also etwa 80 Euro). Dafür sind die Beschäftigten allerdings verpflichtet, bis zu 10 Überstunden pro Woche zu leisten – was den ILO-Normen widerspricht.
Craft Aid ist im Gegensatz zu den traditionellen Textilexportfirmen fairem Handel und verbesserten Bedingungen für die Angestellten verpflichtet: Die Mindestlöhne bei Craft Aid sind um 40% höher, es werden keine Überstunden verlangt, die medizinische Grundversorgung ist durch die Firma garantiert, es gibt ein Anreizsystem für Anwesenheit und Produktivität, ein 13. Monatsgehalt sowie neben einer Gewinnbeteiligung auch eine Betriebspension. 50 der 220 Beschäftigten sind behindert.
Die Rohstoffe und Materialien werden unter ökologisch und sozial kontrollierten Bedingungen gewonnen und verarbeitet: von der biologischen Baumwolle aus Indien über Farbstoffe und das Handelssystem ist Craft Aid durchgehend der Einhaltung von Standards verpflichtet. Das GOTs- und Fair Trade-Gütesiegel wird durch genaue Kontrollen jährlich immer wieder erworben.
(Qualitätszeichen: Global Organic Textile Standard (GOTS)
Hohe Anforderungen setzt der Global Organic Textile Standard (GOTS).GOTS wurde vom Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN) [Deutschland] zusammen mit der Soil Association (SA) [England], der Organic Trade Association (OTA) [USA] und der Japan Organic Cotton Association (JOCA) [Japan] entwickelt.
Es gibt zwei Varianten ("Label-grades") des GOTS:
- Label grade 1: "organic" (bio) oder "organic - in conversion" (in Umstellung auf bio): ≥ 95% zertifizierte Fasern aus Bio-Anbau bzw. Anbau in Umstellung auf Bio-Anbau; ≤ 5% Fasern aus konventionellem Anbau oder synthetische Fasern.
- Label grade 2: "made with X% organic" (aus X% bio) or "made with X% organic in conversion" (aus X% in Umstellung auf bio) ≥ 70% zertifizierte Fasern aus Bio-Anbau bzw. Anbau in Umstellung auf Bio-Anbau; ≤ 30% Fasern aus konventionellem Anbau oder synthetische Fasern; allerdings höchstens 10% synthetische Fasern (Ausnahmen: bei Socken, leggings und "Sportswear" darf ein Anteil von bis zu 25% synthetischen Fasern erreicht werden). In jedem Fall sind mind. 70% der Fasern aus Bio-Anbau (bzw. in Umstellung auf Bio-Anbau). Vor allem ist genau geregelt, wie die Fasern weiterverarbeitet werden dürfen und welche Stoffe zum Einsatz kommen dürfen. Dadurch ist gewährleistet, dass eine mögliche Schadstoffbelastung im Endprodukt so gering wie möglich ist. Auch soziale Mindeststandards sind Teil des Standards und werden überprüft.
Craft Aid hat in den EZA- und Weltläden einen verlässlichen Kunden, der es der Firma erlaubt, ihre fair produzierten und gehandelten Produkte, die zudem mittlerweile ein ansprechendes Design aufweisen, in Österreich und anderen europäischen Ländern garantiert abzusetzen.
Probleme
Allerdings ist immer noch wahr, dass Produkte aus fairem Handel im Textilbereich weltweit immer noch einen Marktanteil, der sich im Promille-Bereich bewegt, aufweisen. Daran hat auch die Kampagnenarbeit der Weltläden und anderer Organisationen bis jetzt etwas ändern können.
Eine Einflussnahme auf die WTO und andere internationale Akteure des Welthandels ist unabdingbar.
Im Anschluss präsentierte Reinhold Diem, Betriebsrat bei F.M.Hämmerle die Geschichte der Vorarlberger Textilindustrie: In den 70er-Jahren stellte sie 35 000 Arbeitsplätze und damit 50% der gesamtösterreichischen Arbeitsplätze in der Textilindustrie. Mittlerweile ist die Zahl in Vorarlberg auf 14 000 gesunken, die damit 15% der industriellen Arbeitsplätze des Landes stellen. Hauptexportländer sind Deutschland und andere EU-Nachbarstaaten, während der Import neben Deutschland vor allem aus den Entwicklungsländern erfolgt. Die einzige Chance für die Textilindustrie war angesichts der Billigkonkurrenz die Konzentration auf Mode und auf technische Gewebe.
Bei einem Rückgang der Investitionsquote ist eine Steigerung des Umsatzes pro Kopf zu verzeichnen: durch Flexibilität, Teilzeit und verstärke Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten. Zur Verbesserung von Standards arbeitet die Gewerkschaft europäisch und global mit internationalen Gewerkschaften zusammen – aber ein wirksames Gegengewicht gegen die Lobbymacht der Unternehmen in Europa ist noch in weiter Ferne.
Weil aber Fair trade-Produkte nur einen minimalen Anteil am Weltmarkt haben, ist die Verbesserung internationaler Arbeitsstandards in der Textilindustrie ein unbedingtes Muss.
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