Viele Bauern und Bäuerinnen möchten gesunde, biologische Lebensmittel produzieren, dabei im Einklang mit der Natur leben und ihren MitarbeiterInnen ein gutes Einkommen verschaffen. Der heute existente Markt für Landwirtschaftsprodukte erlaubt es ihnen aber nicht, diese Ziele zu erreichen.
Der Gärtnerhof Ochsenherz wollte den Betrieb entlang der Ziele einer möglichst vielfältigen biologischen Produktion von Gemüse, regionaler Versorgung, einer Betriebsorganisation als „Organismus“ (d.h. mit abgeschlossenen Produktionskreisläufen) entwickeln und dabei gerechte Löhne zahlen, sowie die Bodenfruchtbarkeit ohne Düngerzukauf erhalten und sogar steigern. Dem Gärtnerhof war es dabei aber nicht möglich, auf Dauer kostendeckend zu wirtschaften.
Erfolg und Misserfolg
Diese Erfahrung machte der Gärtnerhof Ochsenherz über die ersten sieben Jahre seines Bestehens. Es entstand die seltsame Situation, dass zwar die Produkte sehr gut verkauft wurden, das wirtschaftliche Überleben aber trotzdem nicht gesichert war. Diese Erkenntnis wurde zum Motiv, die Art und Weise des Wirtschaftens selbst umzustellen: Der Versuch besteht darin, immer mehr Prozesse aus dem Markt herauszunehmen und gemeinschaftliche Kooperation im sinne geteilter Zielsetzungen zu stärken.
Eine andere Beziehung zwischen ProduzentInnen und KonsumentInnen
Dabei wird versucht, die Trennung zwischen den KonsumentInnen und den ProduzentInnen aufzuheben. Bei Projekten der Solidarischen Landwirtschaft schließen sich KonsumentInnen zusammen und treten in ein direktes Verhältnis zu den ProduzentInnen. Ein Hof beliefert regelmäßig eine Gemeinschaft mit einem Jahresbedarf an guten Lebensmitteln. Umgekehrt verpflichtet sich die Gemeinschaft, den Hof ein Jahr lang im voraus zu finanzieren. Die Gemeinschaft nimmt damit den Bauern/Bäuerinnen das finanzielle Risiko ab und im gegenzug können sich die Bauern/Bäuerinnen ganz der Produktion von bestem und vielfältigem Gemüse widmen. Die Ziele werden gemeinsam festgelegt. Ein „Solidarisches Landwirtschaften“ mit Aufgabenteilung nach dem Prinzip: „ackern-säen-ernten-hinstellen-bitte schön!“, wie es Jens Otterbach vom bereits seit 21 Jahren bestehenden CSA-Projekt „Buschberghof“ in der Nähe von Hamburg für die ProduzentInnen auf den Punkt bringt. Die KonsumentInnen agieren demgegenüber nach dem Prinzip „finanzieren-verteilen-kochen- essen“.
Beste Lebensmittel statt Marktzwang
Durch das Projekt der Solidarischen Landwirtschaft wird es möglich, sich von „Marktzwängen“ zu befreien und stattdessen nach Zielen der Gemeinschaft zu wirtschaften. Peter Lassnig, ein Gärtner und Mitbegründer des Projekts „gemeinsam landwirtschaften Ochsenherz“ in Gänserndorf bei Wien mit ca. 200 Mitgliedern: „es ist möglich, sich von der Relation Produkt-Preis zu trennen. Wir können jetzt losgelöst produzieren von Überlegungen wie: Welches Produkt bringt dem Betrieb mehr Profit? Wir können uns auf die Frage konzentrieren: Was ist notwendig, um diesen Personenkreis möglichst gut mit Lebensmitteln zu versorgen?“ gezahlt wird nicht für ein einzelnes Produkt, sondern das für die Produktion nötige. Dadurch können sich Höfe aus dem Zwang des „Wachsen-oder-Weichens“ befreien und die Gemeinschaft bestimmt selbst wie, in welcher Qualität und unter welchen Bedingungen die lebensmittel hergestellt und verteilt werden.
Freie Entnahme – kann das funktionieren?
eine Besonderheit liegt in manchen Projekten darin begründet, dass die finanziellen Beiträge nach Selbsteinschätzung erfolgen können, was sozialen Ausgleich schaffen kann. Ebenso gibt es in der Verteilung das Prinzip der „freien Entnahme“. Viele KonsumentInnen berichten, dass diese Logik anfänglich Skepsis bei ihnen hervorrief: „Wie kann das funktionieren, dass alle nach Selbsteinschätzung beitragen? Wie kann das gehen, dass alle ‚einfach‘ nehmen, was sie brauchen?“ Die Skepsis konnte aber mit Erfahrungsberichten und Vorschlägen von Mitgliedern aus anderen, bereits bestehenden Projekten in Lust und Neugierde verwandelt werden. „Im Nachhinein ist es schön zu sehen, dass das funktioniert. Die schwierige Frage ist eigentlich, richtig einzuschätzen, was ich tatsächlich an Gemüse brauche. ‚Hamstern‘ bringt da nichts, weil das Gemüse verdirbt, wenn ich es nicht brauche.“ Über selbstorganisierte Verteilstellen regeln die KonsumentInnen im Kreis von jeweils ca. 10-20 Leuten die Verteilung der Produkte untereinander.
Wachsendes Interesse an echter Veränderung
Das Modell ist in anderen europäischen Ländern teilweise bereits weit verbreitet und dient unter anderem auch dazu, den negativen Auswirkungen einer verfehlten Agrarpolitik entgegenzuwirken. In Österreich handelt es sich bisher noch um eine kleine Nische, doch das Interesse wächst.
Solidarische Landwirtschaft bedeutet, sich auf gemeinsames Lernen einzulassen. Daraus können wertvolle Anstöße für nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsformen entstehen. Es handelt sich dabei nicht um die „goldene Lösung“ der Probleme des vorherrschenden Agrar- und Lebensmittelsystems, doch ist dies ein Ansatz, wie hier und heute Handlungsspielräume für eine andere, nachhaltige Landwirtschaft konkret genutzt werden können.
Autor: Franziskus Forster