Eine Auseinandersetzung mit rechtsextremer Sprache kommt nicht um die Feststellung herum, dass rechtes Vokabular längst Eingang in öffentliche mediale wie auch politische Debatten gefunden hat und es rechten Gruppierungen und Parteien gelungen ist, bestimmte Diskurse zu besetzen bzw. in ihrem Interesse umzudeuten. Zahlreiche Tabus wurden inzwischen gebrochen und damit die Grenzen des Sagbaren immer weiter nach rechts verschoben. Völkisches und rassistisches Denken und Sprechen ist demnach kein Phänomen, das ausschließ- lich am rechten Rand der Gesellschaft anzutreffen ist, sondern sich in Medien und im Alltag weiter Verbreitung erfreut, wodurch sich nicht zuletzt auch die stei- gende Bedrohlichkeit entsprechender Denkformen ergibt. (Vgl. Butterwege u.a. 2002, Sora 2017, Wodak 2016)
KULTURKAMPF VON RECHTS
In Österreich haben sich die „Identitären“ 2012 nach dem französischen Vorbild, der "Génération identitaire", der Jugendsektion des "Bloc identitaire" gegründet. Seitdem ist die Gruppe zu einer wichtigen Akteurin des außerpar- lamentarischen Rechtsextremismus in Österreich geworden. Sie verfügt inzwischen über zahlreiche regionale Gruppen und findet über die regelmäßige Durchführung spektakulärer Aktionen große mediale wie auch gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Zu ihren zentralen Merkmalen zählen neben dem Aktionismus eine Corporate Identity, die Adaption jugend- und popkultureller Elemente sowie anschlussfähige Kon- zepte eines modernisierten völkischen Nationalismus. Sie beziehen sich dabei vor allem auf Theorien und Denkansätze der sogenannten „Neuen Rechten“, aber auch auf faschistische Theoretikerinnen. Für ein tieferreichendes Verständnis der identitären Sprach- und Diskursstrategien ist das Konzept der „Metapolitik“ zentral. Es geht zurück auf den neurechten und in identitären Kreisen vielseitig rezipierten französischen Theoretiker Alain de Benoist, der in seinen Überlegungen versuchte, die Theorie der „kulturellen Hegemonie“ des marxistischen Philosophen Antonio Gramsci für eine „Kulturrevolution von rechts“ zu adaptieren. Im Mittelpunkt steht dabei die Einflussnahme auf den vorpolitischen, zivilgesellschaftlichen Raum, in den die „Identitären” ihre „Kulturwerte“ mit dem Ziel einer langfristigen Veränderung des gesellschaft-ichen Denkens einfließen lassen und dadurch grundlegende gesellschaftliche Fragen in ihrem Interesse beantworten wollen.
NEUE SPRACHE, ALTE INHALTE
Ein Blick auf den verbalen Output der „Identitären“ zeigt zunächst, dass sich ihr Sprachgebrauch von jenem des klassischen Rechtsextremismus in mehrerlei Hinsicht unterscheidet. Sie scheinen eine moderne Sprache für die Artidruck kommt auch nicht von ungefähr, da die vermeintliche Überwindung historisch belasteter Begrifflichkeiten zu ihren zentralen Kennzeichen zählt. Bereits seit einiger Zeit hat der Begriff der „Kultur” in bestimmten Varianten rechtsextremen Denkens jenen der „Rasse” ersetzt. Rassistisch konstruierte Unterschiede zwischen Menschen werden heute mit dem Verweis auf (essentialistisch gedachte und ethnisch bzw. völkische definierte) kulturelle Differenzen fortgesetzt. (Vgl. u.a. Weber 1997) An diese Vorstellung knüpft auch das in identitären Kreisen propagierte Konzept des Ethnopluralismus an, welches Menschen ebenfalls nicht als Individuen begreift, sondern als Angehörige bestimmter ethnisch bzw. völkisch gedachter Kollektive („Kulturen”), die auf den für sie vorgesehenen Territorien leben sollten. Im dazugehö- rigen Theoriegerüst wird das universale Gleichheitsprinzip abgelehnt und die „Verschiedenartigkeit der Völker” in den Vordergrund gestellt, die aufgrund historisch-kultureller sowie soziokultureller Momente (vorher)bestimmt sei. „Die Kultur einer Gemeinschaft wird demnach [...] statisch als Medium der Konstruktion und Bewahrung von Identität und Homogenität“ (Weber 1997:43) verstanden.
Dadurch ergeben sich für das rechtsextreme Denken vor allem zwei Konsequenzen: Einerseits wird durch die imaginierte Unveränderbarkeit die Vorstellung von Kultur selbst naturali- siert und andererseits ist die Aufrechterhaltung einer ,homogenen‘ Kultur nur durch die Vermeidung jeglicher Vermi- schung möglich. So zeigt sich erneut, dass die „Absage an das menschliche Gleichheitsprinzip [...] identitässtiftend für sämtliche Strömungen der extremen Rechten“ ist und „die Ethnisierung so- zialer und gesellschaftlicher Konflikte“ nach wie vor „das Mittel zur Durchsetzung rassistischer Gesellschaftskonzep- te“ (Häusler 2002:74) bildet.
WÖRTERTAUSCH
Die „Identitären” sprechen zwar nicht mehr vom „Volkstod” oder der „Reinhaltung der Rassen”, argumentieren aber in ähnlicher Weise, dass „Masseneinwanderung” und der Multikulturalismus zur „Abschaffung der ethnokulturellen Identität Österreichs“ führen würde, und fordern daher den Erhalt ebendieser. Sie nennen sich „identitär”, um ihren Rassismus zu verschleiern, und beschönigen mit dem Bezug auf Ethnopluralismus die ange- strebte weltweite Apartheit. Dabei gehen sie sogar so weit – und auch das unterscheidet sie vom altbekannten Rechtsextremismus – sich, wenn auch wenig glaubhaft, von Rassismus zu distanzieren: „Als Ethnopluralistinnen lehnen wir jeglichen Rassis- mus ab – uns geht es um die Verteidigung des Eigenen, nicht um die Abwertung anderer Völker.“ (IBÖ 2017)
Abgesehen davon, dass sich hinter dem Ethnopluralismus ein „Rassismus ohne Rassen“ (Balibar) verbirgt, lässt sich auch die Rede von der „Nicht-Abwertung der Anderen” nicht halten, da diese stets als rückständig, nicht integrierbar etc. gezeichnet werden. Alleine schon die Vorstellung, in der die „Anderen” als eine Bedrohung der eigenen „Wir-Gruppe” konstruiert werden, verdeutlicht, dass dieser Prozess nicht wertfrei vonstatten geht. Vielmehr dient ihnen die rhetorische Distanzierung als präventive Abwehr von Rassismus-Vorwürfen und als Mittel dazu, ihre rassistischen Denkweisen zu verharmlosen.
Zusammenfassend wird deutlich, dass sich die „Identitären“ also neuer (weniger belasteter) Begriffe bedienen um alte Inhalte zum Ausdruck zu bringen und dadurch auch rechtsextreme Diskurse modernisieren. Der Einsatz dieser „Verschleierungstechniken“ bzw. „Schleierworte“ (Viktor Klemperer) ermöglicht ihnen eine vermeintliche Distanzierung von (gesellschaftlich) als problematisch anerkanntem Gedankengut bei gleichzeitiger Selbstinszenierung als harmlosere und weniger radikale Alternative zum altbekannten Rechtsextremismus.
Judith Götz ist Politikwissenschaftlerin und arbeitet derzeit für den Blog stopptdierechten.at
Häusler, Alexander (2002): Multikulturalismus als Bedrohung deutscher Identität. In: Butterwegge u.a. (2002): Themen der Rechten – Themen der Mitte. Zuwanderung, demografischer Wandel und Nationalbewusstsein.
Opladen: Leske + Budrich. Sora (2017): Befragung zum NS-Geschichtsbewusstsein und zu autoritären Einstellungen in Österreich. URL: HYPERLINK „http://www.sora.at/nc/news-presse/news/news-einzelansicht/ news/schon-43-fuer-starken-mann-776.html“http://www.sora. at/nc/news-presse/news/news-einzelansicht/news/schon- 43-fuer-starken-mann-776.html
Weber, Iris (1997): Nation, Staat, Elite. Die Ideologie der Neuen Rechten. PapyRossa Hochschulschriften 15. Frensdorf: PapyRossa.
Wodak, Ruth (2016): Politik der Angst. Zur Wirkung rechtspo- pulistischer Diskurse. Wien/Hamburg: Konturen.
Quellen:
Identitäre Bewegung Österreich (2017): Identität. URL: HYPER- LINK „https://iboesterreich.at/identitaet/“https://iboesterreich. at/identitaet/ (Zugriff am 21.5.2017)
Der korrekte Eigenname würde eigentlich „Identitäre Bewegung Österreichs“ (IBÖ) lauten. Da es sich auch beim Gruppennamen um eine Selbstbezeichnung handelt, die nicht zuletzt auch Strategie verfolgt, sich größer darzustellen als es real der Fall ist, soll der Begriff „Bewegung“ in diesem Beitrag nicht reproduziert werden. Ich spreche daher von den „Identitären“, nicht jedoch von einer „Bewegung“. Die „Identitären“ werden vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) als rechtsextrem eingestuft, wobei sich aktuell auch Anhaltspunkte finden lassen, die eine Klassifikation als neofa- schistisch zuließen.