Traditionelles Handwerk ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für den ländlichen Raum und lebt darüber hinaus eine Fülle von immateriellen Werten, die sich monetär nicht abbilden lassen, jedoch wesentlich sind für das Lebendighalten der Regionen. Handwerk ist somit mehr als Produkt und Dienstleistung.
Es sichert wertvolle Arbeitsplätze, ist Garant für mehr Lebensqualität im ländlichen Raum und stärkt regionale Wertschöpfungsketten. Es stützt die Nahversorgung und macht Regionen auch als Tourismusstandort attraktiver. Dadurch leisten Handwerksbetriebe einen enormen Beitrag für die Wirtschaft.
Die Bedeutung des traditionellen Handwerks wird genau dort sichtbar, wo sich die Abgrenzung des Handwerks zu anderen Wirtschaftszweigen vollzieht. Genau an jenen Punkten, wo das Handwerk gemäß seiner Tradition den engen Handlungsspielraum rein ökonomischer Gesetzmäßigkeiten überschreitet, um einen gesamtgesellschaftlich unverzichtbaren Beitrag zu leisten und sich dabei dennoch wirtschaftlich zu behaupten.
Dort, wo das Handwerk zur Bewahrung kultureller Errungenschaften beiträgt. Dort, wo der Umgang mit Rohstoffen zum Ausdruck nachhaltiger Werte wird. Dort, wo aus Funktionalität Leidenschaft wird und Handwerk Kreativwerk wird. Dort, wo das Handwerk kleinräumige Strukturen vital hält und aus Handwerk Regionalwerk wird. Dort, wo Arbeitsplätze auch in Krisenzeiten erhalten bleiben und Handwerk Sozialwerk wird. Dort, wo die Weitergabe des Wissens mehr als die Erfüllung von Ausbildungsvorschriften ist und aus Handwerk Generationenwerk wird. [...]
Die diesem Text zugrunde liegende Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft aus dem Jahr 2015 beschreibt, dass ein Fundament von Merkmalen allen traditionellen Handwerksbetrieben gemeinsam ist. Jedoch definiert sich traditionelles Handwerk auch über Werte und Beziehungsebenen, die je nach Branche unterschiedlich starkt ausgeprägt sind: die Untrennbarkeit des Handwerks von seinem_r Könner_in/der Meister_in, die Ausübung profunder Wissens- und Erfahrungskompetenz, die Ausrichtung auf Selbstständigkeit und wirtschafltichen Erfolg, die Ausbildung und die Weitergabe von Erfahrung und praktischem Können, das sind die grundlegenden Kriterien.
Traditionelles Handwerk in Österreich
Kennzeichnend für das traditionelle Handwerk in Österreich ist das Lebendige und Dynamische, mit Blick nach vorne auf die Veränderbarkeit in der Zukunft und mit Blick zurück auf die Wandlungen und Veränderungen einer meist jahrhundertealten Handwerkshistorie.
Im Betrachtungszeitraum der vorliegenden Studie (1950 bis 2015) haben sich handwerkliche Berufsbilder laufend verändert. Neupositionierungen sind über Spezialisierung, Entdeckung von wirtschaftlichen Nischen oder über Verknüpfung mit anderen Berufsbildern erfolgt. Einige Berufsbilder sind durch Verdrängung vom Markt ausgestorben und nur mehr museal erlebbar.
Waren es im Jahr 1954 noch 249, so bestehen heute nur noch 180 unterschiedliche Handwerksberufe, die systematisch tradiert werden. In einigen Handwerksbereichen werden Modulberufe angeboten, die jeweils mehrere frühere Berufsbilder zur Gänze oder in Teilbereichen beinhalten. Berufszweige aus der thematischen Gruppe »Textil, Mode und Leder« unterliegen seit dem Jahr 1954 einem starken Schrumpfungsprozess.
Die thematischen Handwerksgruppen »Papier, Foto und Druck«, »Kunst und Musik«, »Lebens- und Genussmittel«, »Holz, Ton, Glas und Naturmaterialien« konnten zwar über die Dekaden – vor allem bis 1980 – ein Ansteigen der Zahl an Auszubildenden erzielen, jedoch ist im Vergleichszeitraum von 1954 bis 2014 in Summe eine spürbare Reduktion der Lehrlingszahlen festzustellen.
Die Berufszweige aus den Gruppen »Bau, Haus und Garten« und »Metalltechnik und Maschinenbau« verzeichnen zwar auch in der Gesamtsumme im Vergleichszeitraum 1954 und 2014 leichte Rückgänge, jedoch befinden sich in diesen Gruppen zahlreiche Ausreißer, die entweder steigende Lehrlingszahlen verzeichnen oder eine starke Reduktion der Anzahl an Personen aufweisen, die diesen Handwerksberuf gegenwärtig erlernen.
Nur die drei Handwerksberufsgruppen »Gesundheit und Körperpflege«, »Elektrotechnik und Elektronik« und »Chemie und Kunststoff« erreichten 2014 eine Steigerung der Lehrlingsanzahl gegenüber dem Vergleichsjahr 1954.
Sinkende Attraktivität und ein geringer sozialer Status insbesondere für Jugendliche, einen traditionellen Handwerksberuf zu erlernen, verbunden mit stetig abnehmenden Verdienst- und Erfolgschancen für traditionelle HandwerksunternehmerInnen, sind wesentliche Ursachen für die Gefährdung des traditionellen Handwerks.
Weitergabe des Wissens an die nächste Generation
Es gibt Traditionelle Handwerksberufe, zu deren Ausübung in der Regel bestimmte Kenntnisse und Fertigkeiten vorausgesetzt werden und die über eine geregelte Grundausbildung vermittelt werden. Die Weitergabe des handwerklichen Könnens erfolgt entweder direkt in einer Lehre oder in vollschulischen berufsbildenden Fachschulen bzw. berufsbildenden mittleren und höheren Schulen mit Praxisteil. Andere traditionelle handwerkliche Fertigkeiten werden frei und ohne geregelte Ausbildungssysteme tradiert.
Die systematische, dynamische Weiterentwicklung der praktischen KönnerInnenschaften im traditionellen Handwerk ist eine wesentliche Grundlage für den Fortbestand des Handwerks. Fehlt die systematische Wissenstradierung in diesem Handwerksbereich, so ist mittelfristig mit der Gefahr des Verlusts des gesamten Handwerksberufs zu rechnen, da das gesamte praktische Erfahrungswissen über die Zeitspanne verloren geht.
Kulturelle, sozialpolitische und wirtschafltiche Bedeutung
Traditionelle Handwerksunternehmen erfüllen auf Grundlage ihrer wirtschaftlichen Leistungen eine Vielzahl nachhaltiger, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Funktionen. Sie stehen für:
Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze in den Regionen (Jeder dritte Arbeitgeberbetrieb in Österreich ist ein Unternehmen, welches die in der vorliegenden Studie definierten Handwerksleistungen erbringt).lokale und regionale Versorgung der Bevölkerung mit Produkten und Dienstleistungen,Produkte und Dienstleistungen, die regionale bzw. nationale Kultur und Identität vermitteln,soziales Engagement vor Ort und in der Umgebung,regionale Verankerung und Vernetzung und regionale Wertschöpfungsketten,finanzielle Einnahmen für Gemeinden, Land und Staat und Krisenresistenz und Autonomie.
Der Text beruht auf einer