Zu Beginn definiert Mahnkopf die Ausgangslage mit Hilfe von vier Thesen, die eine Ausgangsbasis für Diskussionen jenseits der Sommerakademie bilden sollen. Die erste bezieht sich auf die soziale Frage, die untrennbar mit der Wachstumsproblematik verknüpft sei. Heute sei es nicht mehr möglich, so wie im 20. Jahrhundert mit dem „Backen eines größeren Kuchens“ zu vermeiden, Reichtum und die ungleichen Verteilung zu thematisieren. Zweitens sei ökonomisches Wachstum immer noch das Hauptziel jedes Staates und Unternehmens. Wachstum ist im Kapitalismus esentiell – für Steuereinnahmen, Gewinne, Zinsen und Lohnerhöhungen gleichermaßen. Drittens führt angesichts des „peak everything“ ein Weitermachen in die Sackgasse. Viertens schließlich müsse die Menschheit über ein Leben nach dem billigen Öl, der günstigen Lebensmittel und der Mobilität nachdenken. Ob dies ein Ende des Kapitalismus bedeutet und ob es begrüßenswert wäre, darüber besteht laut Mahnkopf noch ein Dissens.
Wo treffen wir Konsens und wo Dissens an?
Einig waren sich die Teilnehmer*innen der Sommerakademie über eine Vielfältigkeit an Gründen, die gegen ein längeres Verbleiben auf dem Wachstumspfad sprechen. Mahnkopf verweist allerdings auf die Notwendigkeit, vorsichtig und überlegt zu argumentieren, denn der common sense besagt das Gegenteil. Die vorherrschende Unklarheit über den Stellenwert des Green New Deal – und damit grüner Wachstumsstrategien - im Übergang zu nachhaltigen Strukturen jenseits des Wachstums begründet sie mit dem Hinweis auf dessen Ambivalenz. Nichts desto trotz müsse hier eine gemeinsame Positionierung für Strategien des Übergangs gefunden werden. Einerseits brauche es in Zeiten der Krise gewisse Stimuli - wenn möglich grüne - dies zeige sich in den spanischen Erfahrungen; andererseits sollten sich alle nochmal klar darüber werden, dass die Erwartungen und Hoffnungen an einen grünen Kapitalismus viel zu hoch gesteckt sind. Wenn es darum gehe, einen Werte- und Lebensstilwandel zu propagieren, mahnt Mahnkopf auch zur Vorsicht, denn dadurch hervorgerufene soziale Unsicherheit führe Menschen meist auf einen politisch „rechten“ Weg.
Die leidige Frage: grüner und sozialer Kapitalismus oder ein neues Gesellschaftssystem?
Hier ortet Mahnkopf auf der Sommerakademie die größten Meinungsverschiedenenheiten. Niko Paech hatte einerseits aufgezeigt, warum ein Wachsen des BIP ökonomisch nicht durchhaltbar sei, vor allem da es lange auf Schuldenaufnahme basierte. Desweiteren sei es ein profitgetriebenes und kein Lohn- oder Konsumwachstum gewesen. Andererseits könne aber eine Erhöhung der Löhne, rein theoretisch, mehr Nachfrage erzeugen, was wiederum Konflikte mit dem ökologischen Ziel der Ressourcenschonung hervorruft.. Zusammen mit Niko Paech zweifelt Mahnkopf, so wie viele andere Teilnehmer*innen, an, dass eine Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Wachstum möglich sei – empirisch ist dies bis jetzt noch niemals erreicht worden.. Die Erkenntnis, dass menschliches Glücksempfinden ab dem Erreichen eines gewissen ökonomischen Wachstums mit mehr materiellem Wohlstand nicht notwendierweise weiter ansteigt, bezeichnet für sie einen wesentlichen Punkt, um soziale Grenzen des Wachstums aufzuzeigen.
Wo sind stichhaltigere Argumentationen notwendig?
Ansatzpunkte für eine Stärkung grüner Argumente fordert Mahnkopf vor allem bezüglich des Einwands, Wachstum sei für die Sicherstellung von Ernährung, Arbeitsplätzen und ähnlichem notwendig. Ein entkräftender Hinweis könne sein, dass oftmals nicht mehr Wachstum, sondern Umverteilung zu einer Verbesserung des Lebensstandards führe. Hier seien öffentliche Verwaltung, Institutionen und politischer Wille wichtig. Auch bezüglich des Arbeitsplatzargumentes kontert Mahnkopf, dass in den letzten Jahrzehnten mehrheitlich prekäre anstatt soziale Sicherheit gebende Jobs geschaffen wurden. Soziale Gerechtigkeit müsse heutzutage über andere Wege als Wirtschaftswachstum gefunden und gesucht werden, damit auch die ökologische Schädigung umgangen werden könne. Ein weiteres Argument, welches entkräftet werden muss, ist, dass Innovation an Profitmöglichkeit und somit Kapitalismus geknüpft sei. Einerseits hätte es auch schon vor dem Kapitalismus wertvolle Innovationen gegeben und andererseits sollten diese stets auf ihren gesellschaftlichen Wert hin überprüft werden. Auch zum Erreichen des Schuldenabbaus sei es vielversprechender, Vermögen zu besteuern statt bloß für Wachstum zu plädieren.
Das Win-Win Konzept des Green Growth ist gefährlich verlockend!
Als äußerst gefährlich empfindet Mahnkopf den Weg des grünen Kapitalismus, wenn er von Argumentationslinien begleitet wird wie: Da könnten wir neue Arbeitsplätze schaffen und unsere Energiesicherheit würde steigen, vielleicht könnte Europa sogar die Technologieführerschaft grüner Innovationen übernehmen! Dieses Versprechen, alle könnten damit gewinnen, lässt kurzfristig Zeit gewinnen, löst jedoch weder Probleme noch ist es umsetzbar. Agrotreibstoffe stellen nämlich einerseits ein globales Flächenproblem dar und gefährden in vielen Teilen der Welt die Enährungssicherheit. Andererseits externalisieren wir die Umweltprobleme nur in andere Teile der Welt. Denn auch Technologien, um grüne Energie herzustellen, müssen produziert und extrahiert werden, was nicht immer ein so „grüner“ Prozess ist wie gedacht. Noch schlagkräftiger sei jedoch die Tatsache, dass auch in einem grünen Kapitalismus die „unheilige Allianz“ von Profitmaximierung und Konsumsteigerung, die untrennbar mit Kapitalismus verbunden seien, aufrecht erhalten bleibe.
Wichtig seien deshalb die Fragen, wie die Zukunft des Systems aussehen, Umverteilung eingeleitet und die dafür nötigen Weichen gestellt werden könnten. Laut Mahnkopf benötigen wir Synthesen substantieller und institutioneller Wende, sowie ein mutiges Herantreten an die Machtfrage. Eine Einbindung der Politik sei unverzichtbar und die Übergänge müssten möglichst undramatisch ausgestaltet werden. Genossenschaften, regionale Wirtschaften und Verstaatlichungen, ein Umdenken in Bezug auf privates Eigentum - ohne diese Punkte brauche niemand weiter zu diskutieren.
Conclusio: die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar!
Mitgeben möchte Mahnkopf den Teilnehmer*innen der diesjährigen Sommerakademie, dass niemand privilegiertes Wissen über die Zukunft besitzt. Wir befänden uns auf einer Entdeckungsreise ohne richtungsweisende Karten.
Als sechs normative Prinzipien, welche auf jeden Fall auf der schwierigen Reise in die Zukunft dabei sein sollten, macht Mahnkopf erstens die Notwendigkeit normativer Leitlinien für die Marktgestaltung aus, zweitens den Austausch des Leitprinzips Effizienz gegen Gemeinwohl, dass drittens der Finanzwirtschaft, durch politische Kontrolle, wieder eine dienende Rolle gegeben werden sollte, viertens knappe Ressourcen einer Rationierung bedürfen, fünftens alle Bereiche der Gesellschaft einer Politik der Dekarbonisierung unterworfen werden und sechstens das Projekt der Zukunft für wichtige Entscheidungen Bürger*innenbeteiligung vorsehen müsste - denn am wenigsten sei ein Eliteprojekt hilfreich. Hierzu sei es aber auch notwendig, die Menschen zu befähigen. Daran knüpft Mahnkopf ihre Aufforderung an die Grünen: Zusammenhänge zwischen Politik und Wirtschaft müssen besser erklärt werden. Dabei sollte der Gedanke Antonio Gramscis berücksichtig werden, welcher besagt, dass unsere Analysen so pessimistisch wie möglich sein müssen, unsere Taten jedoch voll und ganz vom Optimismus geprägt sein sollten, so als würde uns die gesamte Welt offenstehen!
Die Autorin Julia Seewald hat Politikwissenschaft studiert und ist Mitglied des Redaktionsteams der GBW Wien.