Schauprozesse gegen Umweltschützer in Ungarn?

GBW
Konkret geht es dabei um die strafrechtliche Verfolgung von Ferenc Zsák, einem über die Grenzen Ungarns hinaus bekannten Umweltaktivisten. Zsák wurde am 1. Juli 2011 von Mitarbeitern des ungarischen Bundeskriminalamtes verhaftet und für insgesamt vier Monate in Untersuchungshaft gehalten. Zumindest einen Teil dieser Zeit verbrachte er, nach eigenen Angaben, unter unzumutbaren hygienischen Bedingungen in einer nur 30 Quadratmeter großen Zelle, zusammen mit sage und schreibe 16 Mithäftlingen.
Die Verhaftung stand in Zusammenhang mit der Tatsache, dass Audi offensichtlich die Genehmigung erteilt wurde, seine Ungarische Niederlassung auf als “Natura 2000? gewidmeten Naturschutzflächen zu erweitern. Dazu muss angemerkt werden, dass Schutzgebiete nach der “Natura 2000? Richtlinie zu den wertvollsten Naturgütern der europäischen Gemeinschaft überhaupt gehören. Die Tatsache, dass eine Fläche als “Natura 2000? Gebiet gewidmet ist bedeutet in der Regel, dass dort Tiere oder Pflanzen ihren Lebensraum haben, welche europaweit akut vom Aussterben bedroht sind.
Der Europäische Gerichtshof hat den Schutz dieser Flächen wiederholt explizit bekräftigt und sehr streng ausgelegt. So mussten Autobahnprojekte weiträumig verlegt oder gänzlich gestrichen werden, ein bereits (widerrechtlich) genehmigtes und umgesetztes Golfplatzprojekt in Österreich wurde um teures Geld zurückgebaut und die betroffene Fläche renaturiert. Rechtmäßige Umwidmungen von Natura 2000 Gebieten für Industrieprojekte dürften mit Blick auf das Gemeinschaftsrecht und die Rechtssprechung des EuGH praktisch ausgeschlossen sein.
Ferenc Zsák trat mit der von ihm geleiteten Umweltorganisation Tiszántúli Természetvéd?k Társulata (TTT) vehement gegen die Fabrikserweiterung auf. Bedauerlicherweise offensichtlich auf verlorenem Posten. Was danach geschah, ist Gegenstand des Strafprozesses und entsprechend heftig umstritten. Unbestritten scheint zu sein, dass Audi und TTT einen Vertrag vereinbarten, laut dem der Konzern insgesamt 200 Millionen Forint für Ausgleichsmaßnahmen bezahlen sollte, welche dem Hortobágyi Nationalpark zugute gekommen wären.
Grundlage der Strafanzeige gegen Ferenc Zsák scheint zu sein, dass Audi sich dabei erpresst fühlte und dem Umweltschützer persönliche Bereicherungsabsichten unterstellte. Eine gute Nachricht für alle Umweltaktivisten? Offensichtlich haben weltweit agierende Großkonzerne mit hundertschaften hauseigener Juristen derartigen Respekt vor den “Ökofuzzis”, dass sie sich aus Angst vor deren starkem Arm Schutzgeld in dreistelliger Millionenhöhe abpressen lassen.
Zsáks durchaus prominente und für ihre eigene Integrität bekannten Unterstützer weisen die Vorwürfe jedenfalls als völlig unhaltbar vehement zurück. Nicht nur sei er als Person über jeden Verdacht erhaben, auch die Art des Zustandekommens des Vertrages, dessen Begleitumstände und der Inhalt würden ganz klar gegen eine Straftat sprechen. Demnach wäre die gesamte Summe ausschließlich für Ausgleichsmaßnahmen auf öffentlichem Grund und Boden verplant gewesen und Ferenc Zsák hätte aus dem Vertrag keinerlei persönliche Vorteil ziehen können.
Pikantes Detail am Rande: Während der Verhandlungen gegen Zsák wurde zu seiner Verteidigung augenscheinlich auch ein Tonband mit besonderem Österreichbezug vorgelegt. Darauf ist angeblich zu hören, wie ein Rechtsanwalt der ebenfalls am Projekt beteiligten Strabag den Aktivistinnen und Aktivisten von TTT 30 Millionen Forint als Gegenleistung dafür anbietet, dass sie ihren Widerstand einstellen. Die NGO habe dieses Angebot aber von vornherein abgelehnt.
Die berühmte Causa “Tierschützerprozess” in Österreich kann als Paradebeispiel dafür dienen, dass auch an und für sich gut funktionierende Rechtsstaaten nicht völlig vor dem Mißbrauch ihrer Rechtsinstrumente zur Unterdrückung “aufmüpfiger” und “lästiger” Elemente der Gesellschaft gefeit sind. Der Gedanke, dass so etwas auch im “reformierten” Ungarn eines Viktor Orban möglich sein könnte und Ferenc Zsák zum Opfer von Willkürjustiz zu werden droht, ist damit nicht von der Hand zu weisen. Seine nächste Verhandlung findet am 3. Dezember 2013 statt. Eine Gelegenheit für die Ungarische Justiz, ihr wahres Gesicht zu zeigen.
Artikel: planet-burgenland.at