Heis - Die Stadt der Vielen – oder doch einiger Weniger?
Und jetzt?
In der letzten Zeit entsteht der Eindruck, dass Stadt eben nicht mehr eine Stadt der Vielen sein soll, sondern lieber einiger Weniger. Stadtkosmetik steht auf dem Programm. In vielen Innenstädten haben sich Fußgängerzonen entwickelt, die sogenannten Prachtstraßen wurden mit teuren Pflastern ausgelegt, allesamt mit Geschäften und Gastronomiebetrieben gesäumt. Zuerst gab es vielerorts die Debatte, dass viele dieser Flächen völlig ohne Grün bzw. nur mit proper arrangierten – zum kühlen Style passenden – Bäumen auskommen. Nun hat sich die Debatte aber verändert, die Diskussion heißt nicht mehr „zu wenig von etwas“ sondern „zu viel von etwas“. Die Antwort auf diese Frage zielt in den meisten Fällen auf unerwünschte, meist sozial benachteiligte, Gruppen ab. Wohnungslose Menschen, Bettler*innen, migrierte, zunehmend auch geflüchtete Menschen. Diese unerwünschten Gruppen haben alle etwas gemein: Sie können sich das Leben in der Stadt, so wie es sich viele vorstellen, nicht leisten. Sie können es sich nicht leisten, eine Wohnung um einen völlig überzogenen Quadratmeterpreis zu mieten, auf eine Sozialwohnung haben sie in den meisten Fällen keinen Anspruch. Sie können sich das Bier im Gastgarten nicht leisten. Diese Tatsache lässt viele Menschen nicht am städtischen Leben teilhaben oder eingeschränkt, auf ihre Art. Um aber auch das zu verhindern, wird versucht die Menschen aus den hochfrequentieren Bereichen einer Stadt zu verbannen. Das mitgebrachte Dosenbier wird plötzlich zur Straftat. Mit Verdrängungspolitik sollen die unerwünschten Vielen in städtische Bereiche abgeschoben werden, wo sie kein Risiko mehr für das Image einer Stadt darstellen. „Aus den Augen, aus dem Sinn“ scheint die Devise vieler politischer Programme zu sein. Der öffentliche Raum ist eben nicht für alle da und nicht für alle gleich.
Ist das alles?
Die Stadt lebt von ihren Menschen. Und viele dieser Menschen versuchen die Stadt der Vielen zu leben und sie mit Leben auszufüllen. Auf der Suche nach Antworten, was eine Stadt der Vielen bedeutet, bin ich auf eine besonders schöne Antwort gestoßen: „Eine Stadt ohne Barrieren. Eine Stadt der Vielfalt an Menschen, Kulturen, Meinungen, Möglichkeiten ist eine Stadt von heute. Ein Mangel an Vielfalt zeigt eine Stadt von gestern.“ Denn was wäre denn eine Stadt ohne ihre Bewohner*innen, Besucher*innen, Durchreisenden? Sie wäre ein Einheitsbrei, sowie die Innenstädte vieler Städte. Erst durch die Menschen, werden die Städte samt ihrer Architektur und Infrastruktur zum Leben erweckt. Sie, die Menschen, versuchen Raum wieder für sich zu gewinnen, indem sie Projekte wie Urban Gardening starten. Sie versuchen ihre Stadt aktiv mitzugestalten, indem sie Stadtteilinitiativen gründen. Sie versuchen Nachbarschaft wieder zu leben, indem sie Nachbarschaftsfeste organisieren und somit die diversen Stadtbewohner*innen zusammenbringen. Für viele dieser Dinge braucht es den politischen Willen.
Gerade in Städten, die erwiesenermaßen liberalere und offenere Räume sind, sollte sich die Politik nicht von Ängsten vor sich hertreiben lassen. Sie sollte sich viel mehr von der Diversität der Menschen und der Vielfalt ihres Engagements anstecken lassen.
Kathrin Heis ist stellvertretende Klubobfrau der Grünen in Innsbrucker Gemeinderat.