Bewegung trifft Präsidentin
"An die Präsidentin Dilma Rousseff,
Wir waren überrascht von der Einladung zu diesem Treffen. Wir vermuten, dass Sie es ebenfalls waren bezüglich dessen, was sich in diesem Land in den letzten Wochen erreignet hat. Diese Geste des Dialogs, die von der Bundesregierung ausgeht, weicht vom Verhalten gegenüber den sozialen Bewegungen ab, die die Politik dieser Regierung bis jetzt gekennzeichnet hat. Es scheint, als ob die Revolten, die sich seit dem 6. Juni über die Städte Brasiliens verbreitet haben, alte Fahrgastschranken zerbrochen und neue Wege geöffnet haben.
Die Bewegung Freifahrt war von Anfang an Teil dieses Prozesses. Wir sind eine autonome soziale Bewegung, horizontal und überparteilich, die niemals anstrebte, alle Demonstrierenden, die die Straßen dieses Landes in Besitz nahmen, zu repräsentieren. Unser Wort ist eines unter den Schreien der Straße, auf Plakaten ausgedrückt, an Wände gemalt. In São Paulo haben wir zur Demonstration mit einer klaren und konkreten Forderung aufgerufen: die Tariferhöhung rückgängig zu machen. Wenn dies zuerst unmöglich schien, bewiesen wir, dass dies nicht stimmt, und schritten in unserem Kampf fort für das, was unsere Forderung war und immer sein wird, ein wirklich öffentliches Verkehrswesen. Und in diesem Sinne kommen wir nach Brasília.
Der Transport kann nur wirklich öffentlich sein, wenn er für alle zugänglich ist, d.h. als ein universelles Recht verstanden wird. Die Ungerechtigkeit der Tarife wird mit jeder Erhöhung offensichtlicher; mit jedem Mal, bei dem man zahlen muss für eine Fahrt. Die Erhöhungen zu kritisieren heißt, die Eigenlogik einer Tarifpolitik zu kritisieren, die den Transport dem Profit von Unternehmern unterwirft und nicht den Notwendigkeiten der Bevölkerung. Für die Fortbewegung in der Stadt zu zahlen heißt, Mobilität nicht als Recht zu sehen, sondern als Ware. Dies stellt alle anderen Rechte in Frage: Zur Schule zu gehen, ins Spital, in den Park – all das bekommt einen Preis, den nicht alle zahlen können. Der Transport bleibt beschränkt auf die Fahrt zur und von der Arbeit, und damit schließt die Stadt die Tore für ihre BewohnerInnen. Und um diese wieder zu öffnen, verteidigen wir die Freifahrt.
In diesem Sinne fragen wir nach der Positionierung der Präsidentin bezüglich der Freifahrt bei öffentlichen Verkehrsmitteln und über den Verfassungsänderungsvorschlag PEC 90/11, der den Transport in den Rang eines sozialen Rechts im Sinne des Artikel 6o der Bundesverfassung hebt. Um zu verstehen, dass der Transport wie ein soziales Recht behandelt werden soll, breit und uneingeschränkt, erscheint es uns notwendig, über eine bloß beschränkte Politik hinauszugehen, die nur für bestimmte Teile der Bevölkerung, wie den Studierenden und der Studierendenfreifahrt, hinauszugehen. Wir verteidigen die Freifahrt für alle!
Obwohl alle Regierungen vom Vorrang des öffentlichen Verkehrs reden, investiert Brasilien de facto 11 Mal mehr in den Individualverkehr – durch Straßenbauten und Kreditprogramme für den Autokauf (IPEA, 2011). Öffentliche Mittel müssen in öffentlichen Verkehr investiert werden! Wir wollen wissen, warum die Präsidentin den Zusatz V des Artikels 16º der Nationalen Politik der städtischen Mobilität vetierte (Gesetz nº 12.587/12), die dem Bund die Verantwortung übertragt, Gemeinden, die Maßnahmen für den öffentlichen Verkehr ergreifen, finanziell zu unterstützen. So wie es der Artikel 9º klarstellt, gibt dieses Gesetz einem Modell der privaten Bereitstellung und damit von Fahrtgebühren den Vorrang, und übernimmt so den Standpunkt der Unternehmen und nicht der NutzerInnen. Die Bundesregierung muss die Schaffung eines wirklichen öffentlichen Verkehrswesens vorantreiben. Die Kommunalisierung der CIDE und ihre ausschließliche und klare Zweckbestimmung für den öffentlichen Verkehr würden einen Schritt auf dem Weg zur Freifahrt darstellen.
Die Steuerbefreiung, eine historisch von den Transportunternehmen bevorzugte Maßnahme, geht in die Gegenrichtung. Auf Steuern zu verzichten, bedeutet den Verzicht auf öffentliche Mittel, und macht blind Mittel frei für die Transportmafia, ohne jegliche Transparenz und Kontrolle. Um den Forderungen des Volkes nach Transport nachzukommen, ist es notwendig, Instrumente zu schaffen, die ins Zentrum der Entscheidung rücken, wessen Bedürfnisse sollen befriedigt werden: die der NutzerInnen und Beschäftigten des Sektors.?
Diese Unterredung mit der Präsidentin wurde erzwungen durch die Kraft der Straße, die über Bomben, Kugeln und Verhaftungen wuchs. Die sozialen Bewegungen waren in Brasilien immer der Unterdrückung und Kriminialisierung ausgesetzt. Bis jetzt war 2013 nicht anders: in Mato Grosso do Sul wurde ein Massaker an Indigenen verübt und die Nationalgarde ermordete im vergangenen Monat einen Führer der Terena während der Annulierung einer Besetzung; in Brasilia wurden vor einigen Wochen fünf AktivistInnen der Bewegung der Obdachlosen (MTST) bei Demonstrationen gegen die Auswirkungen der FIFA-Fußball-WM verhaftet. Die Antwort der Polizei auf die im Juni begonnenen Proteste weicht von all dem nicht ab: Tränengas wurde in Spitäler und Universitäten geworfen; Demonstrierende wuren verfolgt und geschlagen von der Militärpolizei; andere wurden beschossen; hunderte wurden willkürlich verhaftet; einige wurden der Bildung krimineller Organisationen und der Anstiftung zu Verbrechen angeklagt; ein Mann erblindete; ein Mädchen wurde sexuell misshandelt; eine Frau erstickte am Tränengas. Die wirkliche Gewalt, die in diesem Juni stattfand, war die des Staates – in all seinen Sphären.
Die von der UNO geforderte Entmilitarisierung der Polizei und eine weniger tödliche nationale Politik der Regulierung von Schusswaffen, die ja in verschiedenen Ländern verboten sind, sind dringend notwendig. Indem die Nationalen Sicherheitskräfte angeboten wurden, um die Demonstrationen in Schranken zu halten, zeigte das Justizministerium, dass die Bundesregierung darauf besteht, die sozialen Bewegungen als Polizeiangelegenheit zu betrachten. Die Nachrichten über die Überwachung der AktivistInnen durch die Bundespolizei und ABIN gehen in die selbe Richtung: den Kampf des Volkes zu kriminalisieren.
Wir hoffen, dass dieses Treffen eine Wende in der Haltung der Bundesregierung bringt, die sich auch auf andere soziale Kämpfe erstreckt: auf die indigenen Völker, wie zum Beispiel die Kaiowá-Guarani und die Munduruku, die verschiedenen Angriffen von Großgrundbesitzern und der öffentlichen Hand ausgesetzt waren; auf die von Umsiedlungen betroffenen Gemeinschaften; auf die Obdachlosen; auf die Landlosen und die Mütter, deren Kinder von der Polizei an der Peripherie erschossen wurden. Auf dass sich die selbe Haltung auch erstreckt auf alle Städte, die gegen Tariferhöhungen kämpfen und für ein anderes Verkehrsmodell: São José dos Campos, Florianópolis, Recife, Rio de Janeiro, Salvador, Goiânia unter vielen anderen.
Wichtiger noch als sich an einen Tisch zu setzen und zu reden ist es, die klaren Forderungen, die von den sozialen Bewegungen des ganzen Landes aufgestellt wurden, aufzugreifen.
Gegen jede Erhöhung im öffentlichen Verkehr, gegen Fahrtgebühren, werden wir weiter auf die Straße gehen!
Freifahrt jetzt!
Alle Macht denen, die für ein Leben ohne Fahrgastschranken kämpfen!
Movimento Passe Livre São Paulo, 24 Juni 2013"
Übersetzung: Andreas Novy
Zitiert aus:
http://www.cartamaior.com.br/templates/materiaMostrar.cfm?materia_id=22240
Der Wortlaut Im portugiesischen Original:
"À Presidenta Dilma Rousseff,??
Ficamos surpresos com o convite para esta reunião. Imaginamos que também esteja surpresa com o que vem acontecendo no país nas últimas semanas. Esse gesto de diálogo que parte do governo federal destoa do tratamento aos movimentos sociais que tem marcado a política desta gestão. Parece que as revoltas que se espalham pelas cidades do Brasil desde o dia seis de junho tem quebrado velhas catracas e aberto novos caminhos.??
O Movimento Passe Livre, desde o começo, foi parte desse processo. Somos um movimento social autônomo, horizontal e apartidário, que jamais pretendeu representar o conjunto de manifestantes que tomou as ruas do país. Nossa palavra é mais uma dentre aquelas gritadas nas ruas, erguidas em cartazes, pixadas nos muros. Em São Paulo, convocamos as manifestações com uma reivindicação clara e concreta: revogar o aumento. Se antes isso parecia impossível, provamos que não era e avançamos na luta por aquela que é e sempre foi a nossa bandeira, um transporte verdadeiramente público. É nesse sentido que viemos até Brasília.??
O transporte só pode ser público de verdade se for acessível a todas e todos, ou seja, entendido como um direito universal. A injustiça da tarifa fica mais evidente a cada aumento, a cada vez que mais gente deixa de ter dinheiro para pagar a passagem. Questionar os aumentos é questionar a própria lógica da política tarifária, que submete o transporte ao lucro dos empresários, e não às necessidades da população. Pagar pela circulação na cidade significa tratar a mobilidade não como direito, mas como mercadoria. Isso coloca todos os outros direitos em xeque: ir até a escola, até o hospital, até o parque passa a ter um preço que nem todos podem pagar. O transporte fica limitado ao ir e vir do trabalho, fechando as portas da cidade para seus moradores. É para abri-las que defendemos a tarifa zero.??
Nesse sentido gostaríamos de conhecer o posicionamento da presidenta sobre a tarifa zero no transporte público e sobre a PEC 90/11, que inclui o transporte no rol dos direitos sociais do artigo 6o da Constituição Federal. É por entender que o transporte deveria ser tratado como um direito social, amplo e irrestrito, que acreditamos ser necessário ir além de qualquer política limitada a um determinado segmento da sociedade, como os estudantes, no caso do passe livre estudantil. Defendemos o passe livre para todas e todos!??
Embora priorizar o transporte coletivo esteja no discurso de todos os governos, na prática o Brasil investe onze vezes mais no transporte individual, por meio de obras viárias e políticas de crédito para o consumo de carros (IPEA, 2011). O dinheiro público deve ser investido em transporte público! Gostaríamos de saber por que a presidenta vetou o inciso V do 16º artigo da Política Nacional de Mobilidade Urbana (lei nº 12.587/12) que responsabilizava a União por dar apoio financeiro aos municípios que adotassem políticas de priorização do transporte público. Como deixa claro seu artigo 9º, esta lei prioriza um modelo de gestão privada baseado na tarifa, adotando o ponto de vista das empresas e não o dos usuários. O governo federal precisa tomar a frente no processo de construção de um transporte público de verdade. A municipalização da CIDE, e sua destinação integral e exclusiva ao transporte público, representaria um passo nesse caminho em direção à tarifa zero.
A desoneração de impostos, medida historicamente defendida pelas empresas de transporte, vai no sentido oposto. Abrir mão de tributos significa perder o poder sobre o dinheiro público, liberando verbas às cegas para as máfias dos transportes, sem qualquer transparência e controle. Para atender as demandas populares pelo transporte, é necessário construir instrumentos que coloquem no centro da decisão quem realmente deve ter suas necessidades atendidas: os usuários e trabalhadores do sistema.?
Essa reunião com a presidenta foi arrancada pela força das ruas, que avançou sobre bombas, balas e prisões. Os movimentos sociais no Brasil sempre sofreram com a repressão e a criminalização. Até agora, 2013 não foi diferente: no Mato Grosso do Sul, vem ocorrendo um massacre de indígenas e a Força Nacional assassinou, no mês passado, uma liderança Terena durante uma reintegração de posse; no Distrito Federal, cinco militantes do Movimento dos Trabalhadores Sem Teto (MTST) foram presos há poucas semanas em meio às mobilizações contra os impactos da Copa do Mundo da FIFA. A resposta da polícia aos protestos iniciados em junho não destoa do conjunto: bombas de gás foram jogadas dentro de hospitais e faculdades; manifestantes foram perseguidos e espancados pela Polícia Militar; outros foram baleados; centenas de pessoas foram presas arbitrariamente; algumas estão sendo acusadas de formação de quadrilha e incitação ao crime; um homem perdeu a visão; uma garota foi violentada sexualmente por policiais; uma mulher morreu asfixiada pelo gás lacrimogêneo. A verdadeira violência que assistimos neste junho veio do Estado – em todas as suas esferas.
A desmilitarização da polícia, defendida até pela ONU, e uma política nacional de regulamentação do armamento menos letal, proibido em diversos países e condenado por organismos internacionais, são urgentes. Ao oferecer a Força Nacional de Segurança para conter as manifestações, o Ministro da Justiça mostrou que o governo federal insiste em tratar os movimentos sociais como assunto de polícia. As notícias sobre o monitoramento de militantes feito pela Polícia Federal e pela ABIN vão na mesma direção: criminalização da luta popular.
Esperamos que essa reunião marque uma mudança de postura do governo federal que se estenda às outras lutas sociais: aos povos indígenas, que, a exemplo dos Kaiowá-Guarani e dos Munduruku, tem sofrido diversos ataques por parte de latifundiários e do poder público; às comunidades atingidas por remoções; aos sem-teto; aos sem-terra e às mães que tiveram os filhos assassinados pela polícia nas periferias. Que a mesma postura se estenda também a todas as cidades que lutam contra o aumento de tarifas e por outro modelo de transporte: São José dos Campos, Florianópolis, Recife, Rio de Janeiro, Salvador, Goiânia, entre muitas outras.
Mais do que sentar à mesa e conversar, o que importa é atender às demandas claras que já estão colocadas pelos movimentos sociais de todo o país. Contra todos os aumentos do transporte público, contra a tarifa, continuaremos nas ruas!
Tarifa zero já!
Toda força aos que lutam por uma vida sem catracas!
Movimento Passe Livre São Paulo??24 de junho de 2013"