Chancen im Naturschutz werden ignoriert
Von Marco Vanek
Eines ist seit Jahrzehnten klar: In vielen Teilen Europas verschlechtert sich die Situation der Naturräume kontinuierlich. Immer mehr Tierarten und Pflanzen kommen auf die rote Liste und sterben ganz aus, ganze Lebensräume und Regionen sind in einem schlechten Erhaltungszustand. Als Antwort auf diese negativen Bedingungen beschloss die Europäische Union Anfang der 90er den Aufbau eines Netzwerks an Schutzgebieten in allen ihren Mitgliedsländern. Mit dem Natura 2000 wollte man ein Netz des Lebens ohne Rücksicht auf Landesgrenzen schaffen. Das reiche Naturerbe der europäischen Gemeinschaft von den Moorlandschaften im Norden Finnlands bis zu immergrünen Gebüschen auf den maltesischen Inseln, vom Bartgeier bis zum Hirschkäfer, von den Orchideen bis zur seltenen Baumart soll für uns und zukünftige Generationen bewahrt werden.
Europäischer Schutzfür Pflanzen und Tiere
Vor allem zwei Richtlinien sorgen dafür, dass dieser Schutz auch in der Praxis umgesetzt wird: die Fauna-Flora-Habitat Richtlinie und die Vogelschutzrichtlinie. Damit wurden Lebensräume, Tiere und Pflanzen festgelegt, die unter gesamteuropäischen Schutz kommen. Österreich hat sich mit dem Beitritt zur EU verpflichtet diese Richtlinien zu übernehmen. Weil Naturschutz Ländersache ist, ist jede einzelne Landesregierung dafür zuständig. Seit dem EU-Beitritt stellte Oberösterreich 25 Natura-2000 Gebiete mit einer Gesamtfläche von 74.000 Hektar unter Schutz, das sind sechs Prozent der Gesamtfläche. Oberösterreich hinkt heute aber noch vielen anderen Bundesländern nach. Spitzenreiter ist Niederösterreich, das 23 Prozent seiner Landesfläche als Natura 2000-Gebiete ausgewiesen hat.
Dass unser Bundesland beim Naturschutz nicht allzu emsig ist, weiß in der Zwischenzeit auch Brüssel. Die Naturschutzorganisationen haben vor einigen Jahren die EU darauf hingewiesen, dass vor allem Oberösterreich sehr nachlässig in der Benennung von Naturschutzgebieten ist. So könnte unser Bundesland laut dem Umweltdachverband zu den bisherigen 74.000 ha noch zusätzlich 220.000 ha melden, hat das aber bisher noch nicht getan. Der Europäischen Kommission riss der Geduldsfaden und sie leitete kürzlich ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Deshalb bekam die oö. Naturschutzabteilung den Auftrag noch weitere Gebiete zu suchen, die den europäischen Schutzstatus erhalten sollen. 20.000 Hektar sollen es werden, war die Vorgabe. Das erste dieser Gebiete – die Welser Heide mit dem Flughafen – wurde erst kürzlich als ein Vogelschutzgebiet nach Natura 2000 erlassen. Hier führte das langjährige Engagement von Naturschutz-NGOs und der Grünen gegen die Widerstände der Welser Stadtregierung zum Erfolg.
Schwerer tut sich das Land unter anderem mit den Gebieten in den Steyr- und Ennstaler Voralpen. In den Bächen der Seitentäler der Enns lebt der Steinkrebs, der in der EU einen besonderen Schutz genießt. Die Naturschutzabteilung hat daher ein großes Auge auf diese Region geworfen und beabsichtigt viele dieser Gebirgsbäche unter Schutz zu stellen. Seit dieses Vorhaben bekannt wurde, sind die lokalen GrundbesitzerInnen in heller Aufruhr. Sie befürchten, dass sie ihren Wald nicht mehr so wie bisher bewirtschaften können. Hausbesitzer bangen um die Betriebsgenehmigungen ihrer Hauskläranlagen und die Besitzer der Kleinwasserkraftwerke vermuten, dass sie diese bald abreißen müssen. Vergessen wird im Zusammenhang mit Natura 2000, dass die Nutzung der Flächen weiter möglich ist. Nur dürfen diese nicht zu einer Verschlechterung der Natur führen.
Nominierung der Natura 2000-Gebiete gestoppt
Mithilfe der örtlichen Funktionäre der Volkspartei und der Bauernkammer schlossen sich GrundbesitzerInnen zu Schutzgemeinschaften gegen Naturschutz zusammen und machen Druck auf die Politik. Einen kleinen Zwischenerfolg konnten sie bereits verbuchen: die Landesregierung stoppte vorerst die Nominierung der Natura 2000-Gebiete, weil Brüssel auch die Frist zur Nachnominierung von Ende September auf Ende Dezember verlängerte. Wenn dann aber ab Anfang nächsten Jahres doch zu wenige Regionen gemeldet werden sollten, kann es ganz schön teuer werden. Eine Verurteilung beim Europäischen Gerichtshof wegen einer Vertragsverletzung kann schon einige Millionen Euro an Strafe kosten.
„Wir Grünen nehmen Bedenken wegen möglicher Nutzungseinschränkungen ernst. Wo es zu Bewirtschaftungseinschränkungen oder zu Mehraufwand kommt, muss es einen finanziellen Ausgleich geben“, sagt die Grüne Landessprecherin Maria Buchmayr. Doch sie kritisiert den Widerstand der ÖVP-dominierten Landwirtschaftskammer: „Einerseits jammert die Landwirtschaftskammer über die fehlenden finanziellen Entschädigungsinstrumente, andererseits verhindert sie aber durch intensives Lobbying, dass die Töpfe für den Naturschutz ausreichend gefüllt sind.
In Oberösterreich geht die Artenvielfalt in der Kulturlandschaft nachweislich zurück. Daher fordern die Grünen gemeinsam mit den Naturschutzorganisationen einen Lückenschluss bei den Naturschutzgebieten. Folgende Gebiete sollen vorrangig als Natura 2000-Gebiete nach Brüssel genannt werden: Enns- und Steyrtaler Voralpen, die Steyrschlucht, Hochlagen der Böhmischen Masse, Auwälder im Eferdinger Becken, das Gebiet rund um das Warscheneck am Rande des Toten Gebirges. „Für uns Grüne ist Natura 2000 das Zukunftsprojekt zur Sicherung wertvoller Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Es trägt zur Sicherung der Lebensqualität bei“, sagt die Naturschutzsprecherin Maria Buchmayr.