Christiane Brunner - Die Grünen braucht's in ALLEN Politikbereichen!
Die wahre Großzügigkeit der Zukunft gegenüber besteht darin, in der Gegenwart alles zu geben.
Albert Camus
Wozu braucht´s die Grünen? Die immer wiederkehrende Frage vor Wahlen. Gottfried Sperl ging in seinem Kommentar vom 21. Mai 2017 soweit, die Grünen mit unzähligen Verneinungen (nicht-konservativ, nicht-liberal, nicht-sozialistisch etc.) zu beschreiben. Immer vor richtungsweisenden Wahlen werden die alten Klischees aufgetischt und in Kombination damit die Berechtigungsfrage grüner (Partei-)Politik gestellt.
Dabei muss umgekehrt die Frage an die Fragesteller gestellt werden; wo ward ihr denn in den letzten 20 Jahren? Erstens ist grüne Politik nicht grüne Parteipolitik; es ist uns gelungen, dass grüne Themen, Projekte und grüne Politik zu einem prägenden gesellschaftspolitischen Faktor geworden sind. Ausgehend von den unzähligen Maßnahmen in den Bereichen der Umweltpolitik, bei Menschenrechtsfragen, Sozialpolitik, Bildungspolitik, Regionalpolitik und und und sind grüne Themen auch längst in der Wirtschaft angekommen. Und das ist nicht nur grüner Parteipolitik zu verdanken, sondern einer massiven Bewegung aus Bürgerinnen und Bürgern, den NGOs, von Wirtschaftsakteuren, VertreterInnen der Zivilgesellschaft bis hin zu den zahlreichen grünen Mandatarinnen und Mandataren auf Gemeinde-, Länder- und Bundesebene.
Und das war erst der Anfang!
Starke Grüne Politik, insbesondere starke Grüne Umweltpolitik ist heute wichtiger denn je. Wir leben in einer Zeit in der sich Grundlegendes ändert. Da braucht es Weitblick und Besonnenheit, vernetztes Denken und Umsetzungswillen. All das sind Werte und Kompetenzen, die wir aus der Umweltbewegung mitgenommen und uns erhalten haben.
Unsere Umweltpolitik ist heute nicht mehr Gegner anderer Politikbereiche, sondern Grundlage und Bedingung dafür. Ohne Grüne Umweltpolitik gibt es im 21. Jahrhundert keine Friedenspolitik, keine erfolgreiche Wirtschaftspolitik und keine gerechte Sozialpolitik.
Unsere Entwicklung von einer Bewegung zu einer Organisation hatte vielleicht auch ihren Preis, und manches geht nicht mehr so wie in den 80ern. Aber Entwicklung ist immer Veränderung. Die Grünen haben sich von einer Widerstandsbewegung zu einer Organisation entwickelt, die Umweltpolitik, aber auch die Wirtschafts- und Sozialpolitik mitgestaltet und sind so ein entscheidender Faktor in der Verbesserung konkreter Lebensbedingungen geworden.
Was wir aber dringend brauchen, ist die Entwicklung und Kommuniktaion eines lebenswerten Zukunftsbildes für unser Land. Wir müssen die Verantwortung übernehmen dieses Land zukunftsfähig weiter zu entwickeln. Wir müssen versuchen den Menschen die Angst vor Veränderung zu nehmen, wieder Zuversicht für ein Miteinander zu geben und Ihnen zeigen, dass in jeder Veränderung auch eine Chance liegt.
Aber nicht nur die Grünen haben sich weiterentwickelt, auch die Umweltpolitik. Heute kämpfen wir (in Österreich) nicht mehr gegen bunte Flüsse, sterbende Wälder und rauchende Schlote, heute ringen wir um CO2-Äquivalente, Mikrogramm Feinstaub oder Mikroplastik und Megawattstunden erneuerbare Energie. Wir rittern in oft sehr technischen Paragraphen um ganz konkrete Verbesserungen für die Menschen und die Welt. Das ist schwieriger zu transportieren als das Anketten an einen Baum.
Durch diese Entwicklung haben wir Erfolge zu verzeichnen auf die oft vergessen wird, manchmal auch von uns selbst. Luftgrenzwerte, Abfallvermeidung, Gewässerschutz, Bürgerbeteiligung in Umweltverfahren, Gentechnikfreiheit, Tierschutzstandards, nicht zuletzt die mittlerweile von allen als selbstverständlich angesehene Atomkraftfreiheit Österreichs – auch wenn von anderen übernommen, all das gäbe es nicht ohne die Grünen!
Oft wird behauptet, auch andere Parteien besetzen das Umweltthema - wunderbar, wenn es stimmt. Wir freuen uns über jede Unterstützung. Fakt ist nur, dass das Handeln hinter Sonntagsreden und Werbeeinschaltungen völlig fehlt und Umweltpolitik, wie fast alle anderen Politikbereiche auch, zum Spielball der Klientelpolitik der Regierungsparteien verkommen ist. Die letzten Jahre waren gekennzeichnet von Stillstand bis hin zum Rückschritt. Über den Ausstieg der USA aus dem Weltklimavertrag empört sich jede/r, darüber dass auch Österreich den Klimavertrag nicht umsetzt fast niemand, außer – klar: uns Grünen!
Dass Umweltthemen überhaupt zu einem politischen Thema geworden sind (auch wenn sie nicht immer die Aufmerksamkeit bekommen, die ihnen zustehen würde) ist ein Erfolg der Grünen. Wir konnten auch im Parlament sehr viel durchsetzen, nicht immer nur durch Protestaktionen, sondern immer häufiger durch konkrete Verhandlungserfolge, wie etwa beim Ökostrom- oder Energieeffizienzgesetz.
Im Dezember 2015 wurde der erste Weltklimavertrag beschlossen. Generationen von Grünen und UmweltaktivistInnen haben dafür gekämpft, in Paris hat uns die ganze Welt recht gegeben: das Zeitalter der fossilen Energie ist zu Ende! Wer hätte das vor zwanzig, zehn, ja noch vor fünf Jahren gedacht?
Nagelprobe wird aber die Umsetzung sein und eben diese Umsetzung braucht noch mehr und noch stärkere Grüne. Grüne Klimapolitik ist die zentrale Friedenmaßnahme. Nur mit Grüner Klimapolitik werden Menschen quer über den Globus in ihrer Heimat bleiben können und nicht zu Klimaflüchtlingen werden. Nur Grüne Klimapolitik sichert nachhaltiges Wirtschaften, Chancen für Unternehmen und sichere Arbeitsplätze. Nur Grüne Klimapolitik stellt gerechte Sozialpolitik sicher, ob beim Zugang zu Energieversorgung für alle Menschen und damit Gesundheitsversorgung und Bildung oder auch durch faire Kostenverteilung der Umweltbelastung. Nur Grüne Umweltpolitik stellt aber auch sicher, dass bei der Umsetzung der Energiewende Naturschutz und Bürgerinnen Teil des Ganzen bleiben.
Die Umsetzung des Klimavertrags und damit die Sicherung der Lebensgrundlagen auf unserem Planeten bedeutet: netto Null Treibhausgasemissionen in den Industriestaaten bis 2050. Das ist eine große Herausforderung aber eine noch viel größere Chance! Die Dekarbonisierung geht nicht von heute auf morgen. Wir wissen aber was zu tun ist, vor allem was jetzt zu tun ist! Wir haben die Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit. Die Konzepte sind längst da und heute genauso aktuell wie vor zehn Jahren. Dort wo es die Antworten noch nicht gibt, braucht es klassische Grüne Kompetenzen, mehr denn je: Interdisziplinäres Denken, Weitsicht, Einbindung aller Beteiligten, der Zeit voraus sein, das waren immer unsere Stärken und das sind sie noch heute.
Ich bin von Grüner Umweltpolitik so überzeugt wie noch nie und ich halte sie für so wichtig wie noch nie!
Christiane Brunner ist Umweltsprecherin der Grünen im Parlament.