„Das Leben geht weiter“
Von Claudia Kolb
oö.planet: Dein Leben in 10 Sätzen – wie würdest du es beschreiben?
Elisabeth G.*: Nach einer – in der Rückschau – glücklichen Kindheit und Jugend, obwohl wie sparen mussten, entbehrte ich nichts. Machte Matura und absolvierte ein Studium, ergriff einen Beruf mit genug Bezahlung, dass ich ein sorgenfreies Leben führen und mir auch gelegentlich extravagante Wünsche erfüllen konnte.
In der Liebe war ich weniger erfolgreich: nach drei gescheiterten Ehen und einigen Beziehungen mit absoluten Loosern lernte ich Mitte 40 einen charmanten Betrüger kennen. Er überredete mich, neben meinem Beruf, ein Geschäft zu eröffnen. Leider bezahlte er weder Lieferanten noch Steuern. Als ich dahinter kam, warf ich ihn raus. Aber das Geschäft war trotz Einsatz meines gesamten Geldes nicht zu retten. Über blieb der Scherbenhaufen meines Lebens: Schulden, Kredite, Verurteilungen, Exekutionen.
oö.planet: Wie bist du anfangs mit der neuen
Situation umgegangen?
Elisabeth G.: Panik und Selbstmordgedanken, Haarausfall und Herzrhythmusstörungen. Ich wollte mich verkriechen, hatte Angst, den Briefkasten zu öffnen, Angst, wenn es an der Tür klingelte.
oö.planet: Wie hat sich im Laufe der Jahre dein Umgang mit der Situation verändert?
Elisabeth G.: Ich habe im Zuge der Katastrophe auch Verständnis erfahren, gute Ratschläge bekommen und es wurde mir Verständnis entgegen gebracht – auch auf Ämtern. Langsam traute ich mich schon, mich mit Gläubigern direkt in Verbindung zu setzen. Manche waren sogar mit einem Teilbetrag einverstanden oder verzichteten wenigstens auf die Zinsen. Ich suchte mir verschiedene Nebenjobs, ging um 7.00 Uhr früh aus dem Haus und kam um 22.00 Uhr heim. 6 Mal die Woche. Sonntags wurde nur geschlafen. Für ein „normales“ Leben war da keine Zeit mehr, geschweige denn für Hobbies. Aber für die fehlte mir ohnehin das Geld.
oö.planet: Wie hat dein Umfeld auf deine geänderte finanzielle Situation reagiert?
Elisabeth G.: Im Freundeskreis hat sich die Spreu vom Weizen getrennt. Ich habe Freunde verloren, aber auch neue gewonnen – zum Beispiel bei meinen Nebenjobs.
oö.planet: Was war bzw. ist die größte Herausforderung im Alltag?
Elisabeth G.: Das Arbeiten rund um die Uhr und der Verzicht auf vieles, weil ich das Geld dafür nicht habe.
oö.planet: Geld wird immer auch in Verbindung mit Freiheit und Würde gebracht – wie siehst du diesen Zusammenhang, was heißt das für dich?
Elisabeth G.: Mit Freiheit auf jeden Fall. Ich kann mir keinen Urlaub leisten oder schicke Kleider, kein neues Auto kaufen, nachdem meines den Geist aufgegeben hat und ich es aber dringend für meine Nebenjobs brauche. Ich kann nicht spontan und eben „frei“ entscheiden, ob ich etwas kaufe oder mache – es steht immer die Frage des Könnens im Vordergrund und nicht des Wollens.
Meine Würde habe ich wiedergefunden, weil ich das meiste zurückbezahlt habe ohne in Privatkonkurs zu gehen oder um Almosen zu betteln.
oö.planet: Es gibt zurzeit ja den Trend zu einem „weniger ist mehr“, dem freiwilligen Verzicht auf Dinge, Annehmlichkeiten, etc. von Menschen, die es sich leisten könnten, anders zu leben.
Elisabeth G.: Grundsätzlich ist das ein guter Gedanke, aber ich glaube, es macht einen gravierenden Unterschied, ob ich eigentlich eh alles habe und hin und wieder auf Luxus verzichte, als wenn einem dieser Verzicht aufgezwungen wird. Mitunter ist da schon viel Koketterie mit dabei. Zudem bleibt die Frage, ob man freiwillig nicht eher dazu neigt auf Dinge zu verzichten, die einem ohnehin nicht so „wehtun“. Aber das ist bei mir eigentlich auch nicht anders. Ich verzichte ja auch lieber aufs Essen oder mir etwas zu kaufen, um ins Kino gehen zu können. Dafür muss schon mal eine Leberkäsesemmel für den Tag reichen.
oö.planet: Was war früher für dich Luxus?
Elisabeth G.: Tolle Reisen, zum Beispiel nach Amerika, eine Kreuzfahrt, der Aufenthalt in Luxushotels, Shoppen in Paris, … solche Dinge.
oö.planet: Was ist heute für dich Luxus?
Elisabeth G.: Ein Friseurbesuch, das Essen in einem Restaurant und eben meine große Leidenschaft: das Kino.
oö.planet: Du liebst das Kino Was ist Kino für dich?
Elisabeth G.: Ein Eintauchen in eine andere Welt, was zum Nachdenken mit nach Hause nehmen, davon zehren. Aus meinem beschissenen Leben ausbrechen.
oö.planet: Du wirkst trotz allem sehr in dir ruhend, irgendwie auch sehr zufrieden. Das beschämt einen fast ein bisschen. Woraus ziehst du deine positive Sicht aufs Leben, das ja nicht immer einfach ist?
Elisabeth G.: Das Leben geht immer irgendwie weiter. Es gibt Menschen, denen es noch viel schlechter geht. Ich gehe jetzt anders mit dem Geldmangel um, z.B. kaufe ich billige Kleidung, esse wenig und bescheiden – bin aber trotzdem satt und schau auch nicht schlecht aus. (lacht) Außerdem versuche ich nicht dauernd zu jammern, sondern mich an den kleinen Dingen zu freuen. Zum Beispiel an einem blühenden Baum, etwas Lustiges in der Stadt oder dergleichen. Es gibt so viele kostenlose Vergnügungen. Ich lebe eher von einem Tag auf den anderen; da gibt’s nicht die große Zukunftsangst. Und meist ist es eh nicht so schlimm wie befürchtet. Auch wenn ich nicht sonderlich religiös bin, denke ich oft auch an den Spruch: Wem Gott eine Tür zuschlägt, dem öffnet er ein Fenster.
oö.planet: Nun ist ja eine finanzielle Besserung in Aussicht – welchen großen Wunsch möchtest du dir als erstes erfüllen?
Elisabeth G.: Naja, das wird schon noch länger dauern. Aber wenn die Kredite abbezahlt sind, geht es mir schon besser. Der große Wunsch? Ein Auto, das mir gefällt (lacht) und das ich mir leisten kann. Denn ein Auto ist für mich schon auch Freiheit.
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Wofür geben die ÖsterreicherInnen ihr Geld aus?
Im Jahr 1950 haben die Österreicher 45% ihres Einkommens fürs Essen ausgegeben, heute sind es 12,1 %, obwohl ein Viertel davon im Müll landet. Wofür gibt man hierzulande heute also sein Geld aus? Fast 24% entfallen auf Wohnen & Energie, weitere 6,9% auf die Wohnungsausstattung. 15% auf den Verkehr – wobei davon 13,9% auf das Auto entfallen. 12,8% für Freizeit, Hobby & Sport, 5,7% auf Cafè & Restaurants und 5,7% für Bekleidung & Schuhe. Gesundheit macht 3,5% aus, Telekommunikation 1,7%.Alkohol & Tabak sind ihnen 2,4% wert, Bildung hingegen nur 1%. 9,3% sind sonstige Ausgaben aller Art. (CK)
Quelle: Statistik Austria, Konsumerhebung 2009/10 (684)
