EUROPA AUF DER COUCH: 2014. SARAJEVO RELOADED.
Hart an der Grenze?
Die Europäische Union, so heißt es, bringt Menschen einander näher. Auf dem Balkan aber entzweit sie mehr als sie zusammenführt. Zwischen Kroatien und Bosnien-Herzegowina verläuft seit Juli 2013 eine streng bewachte EU-Außengrenze - quer durch ein Gebiet, das einst als Wirtschaftsraum und ohne Schranken verbunden war. Eine halbe Million Menschen haben neben der bosnisch-herzegowinischen auch die kroatische Staatsbürgerschaft und sind seit dem Beitritt Kroatiens automatisch EU-BürgerInnen - obwohl ihre Heimat Bosnien-Herzegowina jegliche EU-Perspektive verloren zu haben scheint.
Am 8. Mai, Tag der Befreiung, luden Grüne Bildungswerkstatt und Grüne Wirtschaft Burgenland zur Abschlussveranstaltung der Reihe "Europa auf der Couch" auf die Friedensburg Schlaining. Im Zentrum der Reihe standen nicht Staaten und Verträge, sondern die 740 Mio EuropäerInnen, ihr Alltag, ihre Kultur und ihre Erfahrungen des Zusammenwachsens in Europa. Kultur als eine Ausdrucksform der Zivilgesellschaft berichtet unverblümt, schonungslos und humorvoll über die Sorgen, Lebensrealitäten und Sehnsüchte der Menschen, deckt Missstände auf und hilft Grenzen nicht nur im Kopf zu überwinden. Thema der mit Filmemacherin Nina Kusturica, Kunsthistoriker Peter Bogner und Kurator Elio Krivdic hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion war die Rolle von EU und NATO in Bosnien-Herzegowina - einer Region mit einer von Fremdherrschaft geprägten Geschichte, die das Land mehr denn je in Geiselhaft ethnischer, nationaler und religiöser Entitäten gefangen hält - wobei Vergleiche zur heutigen Ukraine durchaus zulässig sind.
Doch im Gegensatz zur Politik hat die Kunstszene des Landes Nationalismus und Teilung längst überwunden: Videoarbeiten junger bosnischer Künstler und eine exklusive Preview auf Nina Kusturicas neuesten Film bereicherten die von Elias Bierdel spannend und mit viel Hintergrundwissen moderierte Diskussion. Ihre Hoffnung ruhe, so Kusturica abschließend, auf der jungen Generation, die es in der Hand hätte sich aus der Spirale von Bürgerkrieg, religiöser Übermacht und allgegenwärtiger politischer und wirtschaftlicher Korruption zu befreien.
Über den gelungenen Abend, der den Blickwinkel des Publikums gleichermaßen verschieben und schärfen konnte, freuten sich die VeranstalterInnen Dagmar Tutschek (Grüne Bildungswerkstatt) und Gerhard Schumacher (Grüne Wirtschaft) ebenso wie die frisch gebackene Direktorin des Friedenszentrums Schlaining, Blanka Bellak.