Joachim Kovacs - Gemeinsam für etwas auf die Straße gehen
Herr Kovacs, Sie machten Schlagezeilen, als Sie in einem Selbstversuch einen Monat lang mit 7,50€ am Tag auszukommen versuchten- in Anlehnung an den Betrag, der BezieherInnen der Mindestsicherung zur Verfügung steht. Ist ein gutes Leben mit 7,50€ am Tag möglich?
Für ein gutes Leben braucht man langfristig definitiv mehr als 7,50€ am Tag. Es gibt eine Entwicklung in den letzten Jahrzehnten, bei der vor allem bei geringem Einkommen immer weniger im Börsel bleibt und Realeinkommensverluste die Folge sind, während die Wohnkosten, Lebensmittelkosten und andere Lebenskosten an die Decke gehen. Bei diesem Missverhältnis zeigt sich schon, dass man mit 7,50€ am Tag überleben kann, aber ein gutes Leben würde ich dann trotzdem als etwas Anderes bezeichnen.
Was würden Sie denn als ein gutes Leben bezeichnen?
Ein gutes Leben ist, wenn ich mir nicht tagein, tagaus Sorgen machen muss, ob ich mir die Miete leisten kann, ob ich mir in den letzten Tagen des Monats vielleicht noch irgendwo Geld ausborgen muss, ob ich meinen Kindern Kleidung kaufen kann und ob mir irgendwas bleibt für den Urlaub. Ein gutes Leben für alle ist für mich auch, wenn es Chancengerechtigkeit gibt, wenn wirklich jedes Kind dieselben Bildungschancen hat und wenn diese nicht vererbt werden, wie es bei uns immer noch oft der Fall ist. Dass ich, egal woher ich komme, vom Land oder aus der Stadt, Migrationshintergrund oder nicht, ich die gleichen Chancen habe. Davon sind wir noch immer meilenweit davon entfernt.
Unser gutes Leben in Europa ist nur auf Kosten anderer möglich, weil nicht alle Menschen auf dieser Welt so viel Energie und Ressourcen verbrauchen können, wie wir es ganz selbstverständlich jeden Tag tun. Bedeutet die Forderung nach einem guten Leben für alle Verzicht?
Die Forderung nach einem guten Leben für alle bedeutet mit Sicherheit auch Verzicht in meinen Augen, aber in erster Linie für das oberste Prozent und weniger für die Masse. Auch in Europa ist es so, dass die Reichen immer reicher werden und die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinandergeht.
Es gibt Studien mit wahnsinnigen Zahlen, die belegen, dass in Österreich die reichsten drei Prozent der Bevölkerung mehr besitzen als die restlichen 97 Prozent. Das ist einfach ein Missverhältnis wo ich sage: Ja, es wäre nicht schlecht wenn die reichsten drei Prozent auch auf etwas verzichten würden. Wenn wir gerecht umverteilen, dann sind die Reichsten immer noch reich, aber die Armen ein bisschen weniger arm. So können sie vielleicht ein bisschen mehr am guten Leben partizipieren. So sollte eine Gesellschaft auch funktionieren. Man muss natürlich auch eingestehen, dass man über Jahrzehnte sehr viele Entwicklungsländer ausgebeutet hat und dass da schon vor der Flüchtlingsbewegung viel zu wenig passiert ist und Entwicklungsgelder sogar drastisch gekürzt wurden. Das sind Sünden, die sich natürlich rächen. Ich finde, dass man eine Politik auf Augenhöhe mit Ländern außerhalb Europas machen muss, bei der man ernsthafte Entwicklung zulässt und nicht nur Entwicklung, die man zum eigenen Nutzen steuert.
Wie kann es gelingen, alle gesellschaftlichen Akteure in einen Transformationsprozess zu dieser Utopie des guten Lebens für alle einzubinden?
Ich merke ganz stark, dass wir es in der letzten Zeit fast nur noch schaffen, gegen etwas auf der Straße zu stehen. Mein Wunsch wäre es, dass wir wieder für etwas demonstrieren.
Dass zum Beispiel Arbeiter, Angestellte, Bauern, StudentInnen, Selbstständige, MigrantInnen gemeinsam für höhere Löhne demonstrieren. Es gibt in allen Sparten Leute, die GeringverdienerInnen sind, diese müssten mal wieder zusammen für etwas einstehen. Im Endeffekt sitzen die Reichsten der Welt auf der großen Yacht und die anderen teilen sich das Ruderboot, Schlauchboot und Tretboot auf und hauen gegenseitig aufeinander ein. Ich finde, man muss die Politik und die Gesellschaft neu denken, um das System zu verändern.
Was können einzelne Menschen tun, um einen Teil zu dieser Utopie 'gutes Leben für alle' beizutragen?
Zum Beispiel gemeinsam auf die Straße gehen.
Aber ich kann auch im Kleinen vieles verändern. Es gibt so viele Menschen, die sich sozial engagieren und versuchen, dem Ungleichgewicht etwas entgegen zu stellen, ob das in der Pflege ist, in der Betreuung von Flüchtlingen, oder ob das bei der freiwilligen Obdachlosenhilfe ist.
Aber wir müssen auch laut werden und das System verändern, sonst beschäftigen wir uns damit, Pflaster auf Wunden zu picken und die gebrochenen Füße und Arme bleiben weiter bestehen.
Was tragen sie als grüner Politiker dazu bei, diesem Traum eines guten Lebens ein Stück näher zu kommen?
Ich versuche Tag für Tag wenn ich aufstehe, in dem kleinen Bereich in dem ich wirken kann, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, die politischen Tätigkeiten mit Mut, Zuversicht und Hoffnung auszuüben. Natürlich sind wir mit sehr viel Frust, Hass und Hetze konfrontiert und mittlerweile schlägt eine unfassbare Angstmache um sich. Ich finde, die Aufgabe der Politik ist es, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, wirklich etwas verändern zu können. Mein Ziel ist es, im Kleinen aufzuzeigen, wo wir was verändern können, Gegebenes nicht als gegeben hinzunehmen und Menschen davon zu überzeugen, dass man Mauern einreißen kann und auch Systeme sich verändern lassen.
Interview mit Joachim Kovacs von Carla Gailhofer.
Joachim Kovacs ist Landessprecher der Wiener Grünen und Tenniscoach.