Von René Freund
Als es einmal nicht regnete, saß ich mit Freunden im charmanten Innenhof eines Heurigen und genoss den Sommer. Allerdings wurde die Freude bald getrübt, denn um 22 Uhr wurden wir aufgefordert, den Innenhof zu verlassen. Es ginge darum, die Anrainer vor dem Lärm zu schützen.
Wir folgten der Aufforderung mehr oder weniger schnell, doch letztendlich sahen wir alle ein: Der Schutz der hier wohnenden Menschen hat Vorrang vor unserer übermütigen und weinseligen Freude an einem lauen Sommerabend. Immerhin, das ist der Sinn von Gesetzen: Sie sind zwar nicht immer für alle angenehm, aber oft – wie in diesem Fall – durchaus begründet.
Warum erzähle ich Ihnen diese todlangweilige Geschichte? Weil es meinem Rechtsverständnis seltsam unlogisch scheint, warum das Sitzen in Schanigärten nach 22 Uhr verboten, die Produktion von Waffen aber erlaubt ist. Auch Waffen dienen in erster Linie dazu, andere Menschen zu belästigen, ihnen den Schlaf zu rauben, und nicht nur das, auch das Leben. Ohne Waffen gäbe es keine Kriege, und vor allem keine solchen, in denen in erster Linie Zivilisten, die niemals kämpfen wollten, das ganze Leid zu tragen haben. Schützt die Anrainerinnen und Anrainer! Alle!
Anlässlich der zahlreichen Gedenktage 2014 hab’ ich mir gedacht: Die Österreicher haben den Ersten Weltkrieg begonnen. Ein Österreicher hat den Zweiten Weltkrieg begonnen. Wie wäre es, wenn Österreich nun mal mit gutem Beispiel voranginge und sagte: Wir verbieten die Produktion von Waffen in unserem Land. Und damit natürlich auch den Export des Todes auf ferne Kriegsschauplätze.
Ich weiß schon, die Wirtschaftskammer wird dagegen sein. Viele werden mich naiv nennen. Und natürlich weiß ich: Das Geschäft mit unseren tollen Sturmgewehren, Pistolen und Panzern wird dann jemand anderer machen. Aber irgendwer muss doch einmal aufhören mit dem Wahnsinn! Kein Land wäre historisch dafür geeigneter als Österreich.
Vor genau 70 Jahren ist mein Vater aus der Wehrmacht desertiert. Er wollte bei diesem Krieg einfach nicht mehr mitmachen. Könnten wir heute nicht auch ein bisschen desertieren, zumindest geistig?
René Freund ist Schriftsteller in Grünau im Almtal. Soeben erschienen: „Mein Vater, der Deserteur. Eine Familiengeschichte“ (Deuticke Verlag).
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