Steinhauser - Warum sozialer Zusammenhalt alternativlos ist
Demokratie, soziale Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit garantieren die Stabilität einer Gesellschaft. Was uns wie selbstverständlich erscheint ist im globalen und historischen Vergleich aber eher die Ausnahme, als die Regel. Noch nie waren diese Grundwerte in den letzten Jahrzehnten so unter politischem Druck wie heute.
Nach dem Zerfall des Kommunismus haben ökonomische Eliten den sozialen Zusammenhalt mit ihren Reformen schrittweise aufgekündigt. Man wollte sich die dafür notwenigen Nebenkosten nicht mehr leisten. Rechtsextreme und rechtspopulistische Bewegungen nutzen diese Bruchlinie, um ihre feindbildorientierten Konzepte anzubieten. Dabei geht es ihnen aber weder um die Abwehr der entstehenden Ungleichheiten, noch um Stabilität. Durch Polarisierung wollen sie autoritäre und alte „rassische“ Ideen durchsetzen und beschleunigen den Zerfall des sozialen Zusammenhalts.
30 Jahre Neoliberalismus und der Aufstieg des durch Rechtspopulismus und Rechtsextremismus gefährden im bisher stabilen Europa diesen sozialen Zusammenhalt. Am Beginn steht das Infragestellen von sozialen Sicherungssystemen, fairer Vermögensverteilung und Grundrechten. Vergrößert sich die soziale Kluft folgen autoritäre Lösungsansätze und werden rechtsstaatliche Prinzipien durch zunehmende Repression eingeschränkt.
Die Folgen dieser Politik sind brandgefährlich. Je geringer der soziale Zusammenhalt einer Gesellschaft ist, umso höher sind in der Regel Kriminalität und Korruption und Sinken persönliche Freiheiten und Mitgestaltungsmöglichkeiten.
Ein funktionierendes Sozialsystem und Umverteilung sind die „Dividende“ der wirtschaftlich Privilegierten, um über sozialen Zusammenhalt Stabilität und Sicherheit zu erreichen. Dieser unausgesprochene symbolische Gesellschaftsvertrag gerät zunehmend in Vergessenheit. In einer individualisierten Gesellschaft werden die sozialen Folgekosten einer Wirtschaftspolitik der „stärkeren Faust“ gerne ausgeblendet. Die Lehren aus der Wirtschaftskrise der Zwischenkriegszeit, die direkt in den Faschismus geführt hat, sind längst vergessen. Nach dem Krieg wollte selbst die bürgerliche CDU den Kapitalismus überwinden, weil seine produzierten Ungleichheiten in die Katastrophe führen können.
Davon sind wir heute weit entfernt. Gerne wird in der Politik mit Sachzwängen argumentiert. Da hätte ich auch etwas anzubieten: Die zumindest Ansatzweise Durchsetzung einer gerechten Vermögens- und Chancenverteilung ist Grundvoraussetzung für alles was das Leben lebenswert macht. Soziale Sicherheit, Freiheit und Stabilität. Das ist alternativlos.
Albert Steinhauser ist Justiz- und Datenschutzsprecher sowie stellvertretender Klubobmann der Grünen im Parlament.