Über die lange Rückkehr der Luchse
Die große Katze mit den Pinselohren ist seit geraumer Zeit auch Thema in den regionalen Medien. Einige Tage vor unserer Wanderung wurde bekannt, dass eine fehlsichtige Jägerin im Raum Weyer einen Luchs mit einem Fuchs verwechselt hatte und ihn „irrtümlich abschoss“. Dieser wurde dann zufällig in einer Gefriertruhe eines Präparators gefunden.
Luchse waren seit vielen Jahrhunderten ein fixer Bestandteil der Tierwelt in unserer Region. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlosch das Vorkommen in den Ostalpen. Die letzten Hinweise gab es um 1870/80 in den Südalpen. In den Ostalpen verschwand er bereits einige Jahrzehnte früher. Der Grund seines Verschwindens lag vor allem in der direkten Verfolgung durch den Menschen. Hauptmotive waren die Furcht vor Schäden an Haustieren und die Einstufung des Luchses als Jagdkonkurrenten. So dauerte es mehr als hundert Jahre bis der Luchs nach Österreich zurückkehrte.
In der Region Nationalpark Kalkalpen gelang erstmalig im Jahr 2000 die Ablichtung eines Luchses durch eine Fotofalle und im Jahr 2005 wurde das erste Tier live gesichtet. Ob heute mehr als ein Individuum im Nationalpark herumstreift, ist unklar. In der Großregion Kalkalpen/Gesäuse/Wildnisgebiet Dürrenstein sollen bis zu 15 Katzen leben. Von fünf geschlechtsreifen Kudern (so werden die männlichen Tiere bezeichnet) fehlt aber heute jede Spur. Sie sind auf unerklärliche Weise verschwunden.
Luchse leben im Wald. Sie bewohnen die verschiedensten Waldgesellschaften von reinem Laub- bis zum Nadelwald. Doch ihr Lebensraum wird vom Nahrungsangebot bestimmt. Unsere Kulturlandschaft – mit dem massiv gestiegenen Waldanteil – bietet einen idealen Lebensraum für Rehe, neben dem Hirsch und der Gams das Hauptnahrungsmittel der Luchse. Und das ist der Grund, wieso der Luchs von den JägerInnen als Konkurrenz angesehen wird. Schafe und Ziegen, die Tag und Nacht ungehütet im Wald verbringen, sind nur zu einem sehr geringen Anteil am Speisezettel der Großkatzen.
Die Luchse brauchen viel Platz zum Leben. Ungefähr 10.000 Hektar groß ist ein Luchsrevier, die Weibchen brauchen etwas weniger, die Kuder etwas mehr Raum. Zwei bis drei Junge kommen pro Jahr zur Welt, davon überlebt die Hälfte das erste Jahr nicht. Werden sie selbständig, dann beträgt die Überlebensrate im darauffolgenden Jahr ebenfalls nur fünfzig Prozent.
Der Nationalpark Kalkalpen versucht durch ein eigenes Luchsansiedlungs- und Monitoringprojekt die Anzahl der Tiere zu sichern bzw. zu erhöhen. So wurden 2011 die Katze Freia und Kuder Juro von der Schweiz in die Kalkalpen umgesiedelt. Als letztes Tier wurde im März 2013 die Luchskatze Kora freigelassen. Ein natürlicher Zuzug aus anderen Regionen konnte aber bis heute nicht nachgewiesen werden.
Die Mitarbeiter des regionalen Luchsprojektes hoffen nach wie vor, dass Luchse aus anderen Revieren zuwandern. Nach dem Verschwinden vieler Kuder, besteht die Gefahr einer Inzucht zwischen den hier lebenden Tieren.
Um das größer werdende Vorkommen besser zu überblicken, strebt der Nationalpark verstärkte Information und Zusammenarbeit mit den betroffenen GrundeigentümerInnen, JägerInnen und den angrenzenden Schutzgebieten an. Für die genetische Variabilität wäre es dringend notwendig so bald wie möglich einen Kuder freizulassen.
Wegen seiner zentralen Lage spielt die Nationalpark Kalkalpen Region bei der Rückkehr des Luchses in den Alpenraum eine Schlüsselrolle. Für eine mögliche weitere Ausbreitung reicht das sehr gut geeignete Luchshabitat vom Wienerwald bis nach Salzburg. Andererseits sind Luchse in der Nationalparkregion Kalkalpen besonders wichtig, um die Luchspopulationen aus dem Böhmerwald mit jenen im Dreiländereck Slowenien - Italien – Kärnten zu verbinden.
Interessante Links zum Thema:
Luchse in den Kalkalpen: http://www.kalkalpen.at/system/web/zusatzseite.aspx?menuonr=222654238&detailonr=222746492
Luchsprojekt des WWF: http://www.wwf.at/de/luchs_news/
Luchse im Böhmerwald: http://luchs.boehmerwaldnatur.at/
Luchsaktion der Grünen OÖ: https://ooe.gruene.at/themen/umwelt/helfen-wir-dem-luchs-beim-ueberleben
Bilder von der Wanderung durch den Nationalpark
mit dem Ranger Hermann Jansesberger am 10. Oktober 2015
(Fotos Marco Vanek)