Er war eine durch und durch mittelmäßige Persönlichkeit, durchschnittlich begabt und durchschnittlich feige, etwas korrupt und etwas untreu. Als er sich 1948 in einer Gefängniszelle erhängte, wurde ihm der Massenmord an wohl mehr als 300.000 Menschen zur Last gelegt. Er war Leiter von Anstalten gewesen, in denen Kranke ermordet wurden, und er war Kommandant von Treblinka, einem der sogenannten „Vernichtungslager“ zur Ermordung der polnischen Juden.
Wie wurde der 1910 in Bregenz geborene Irmfried Eberl zu einem derartigen Massenmörder? War er eine Bestie, die – wie es im Haftbefehl hieß – „aus niedrigsten Beweggründen“ mordete, oder war er als Nationalsozialist ein „Gärtner“, der die neue nationalsozialistische Ordnung durchsetzte und der dafür alles ausriss und vernichtete, was als „krank“ oder für das neue Reich bedrohlich empfunden wurde?
Wenn wir verstehen wollen, wie ein Völkermord geschieht, dann ist die Beschäftigung mit den Tätern lohnend. Es wäre leicht, sie als befremdliche, fern der Normalität agierende „Bestien“ auszugrenzen, die mit der sie umgebenden Gesellschaft nichts zu tun haben. Werner Dreier wird in diesem Vortrag einen anderen Weg wählen, nämlich die gesellschaftlichen Verhältnisse zu beschreiben, die es ermöglichten, dass ein mittelmäßiger Arzt ein außerordentlicher Mörder werden konnte.
Der Historiker Dr. Werner Dreier forscht und publiziert u.a. über die Zeit des Nationalsozialismus und leitet erinnern.at.