Exkursionsbericht: Die Externe Hauptschule ISOP
416mal Erfolg- ein Exkursionsbericht
Unser Ziel ist die Externe Hauptschule Isop in Graz, ein kleines Projekt mit einem großem Output. Hier haben 416 AbsoventInnen bisher für ihre neuen beruflichen Chancen gekämpft und gewonnen: sie waren Menschen ohne Pflichtschulabschluß, alle irgendwie traumatisiert, jedenfalls beladen mit einem Rucksack voll Problem-Geschichten: SchulabrecherInnen aus der Steiermark, Flüchtlinge und AsylwerberInnen aus der ganzen Welt, junge Erwachsene mit und ohne Migrationshintergrund – noch bunter gemischt geht’s eigentlich gar nicht mehr.
120 m Altbauwohnung, 2 Schulklassen zu je 18 Personen, 6 PädagogInnen, die auf vielen Ebenen über den eigentlichen Lernstoff hinaus Notwendiges für einen Abschluss vermitteln müssen: Selbstvertrauen, Durchhaltevermögen, Konzentration, Verlässlichkeit, Toleranz gegenüber anderen Religionen und Kulturen. Und das alles innerhalb eines Jahres!
In der Klasse, in der wir bei unserem Besuch hospitieren durften, sind alle jung und eine bunte Mischung von Sprachen und Kulturen: die Hälfte sind ÖstereicherInnen mit Erstsprache Deutsch, der Rest ist aus Afghanistan und Somalia, einer hat türkische Wurzeln.
Der erste Weltkrieg wird gerade bearbeitet, hier aber nicht nur aus der Sicht Österreichs, sondern auch aus dem Blickwinkel der jeweiligen Heimatländer. Was war in Somalia, der Türkei und in Afghanistan los in der Zeit von 1914-1918? War dort Krieg oder Frieden, wer regierte? Auch für uns BesucherInnen ein neuer Geschichtsstoff. Und überraschend zu sehen, wie sich in eineinhalb Stunden die SchülerInnen den Stoff selbständig aus dem Internet zusammensuchten, unter Angaben von Quellen und Belegen, in ein Poster verwandelten und eine gemeinsame Minipräsentation der Ergebnisse abhielten.
Mit unglaublichem Engagement, Erfahrung, Geduld und viel Verständnis für die vielfältigen Traumatisierungen und Schwierigkeiten der SchülerInnen geht das pädagogische Team bereits seit 1996 an die Probleme heran. Sie sehen die Mischung der Problemstellungen als Bereicherung und stellen das soziale Lernen in den Vordergrund. Das Verständnis von Menschenrechten, Demokratie und ein friedliches Umgehen miteinander sind die obersten Ziele. Bisherige SchulversagerInnen können durch strebsame und aufstiegsorientierte MigrantInnen neu motiviert werden und andererseits können die österreichischen SchulabrecherInnen den Jugendlichen mit Deutsch als Zweitsprache ganz andere, altersgerechte und einfache Erklärungen geben, da wird ihre eigene Sprachkenntnis zur Ressource.
Jede/r kann etwas gut und alle sind willkommen, das ist die einfache Formel.
Aber der Erfolg ist hart erarbeitet - von allen. Nicht alle schaffen es auf den ersten Schwung, manche machen ihre Prüfungen in mehreren Etappen und brauchen dafür einige Jahre.
Beispiele wie N. geben Mut, auch wenn es nicht gleich klappt: N. war damals eine 44 jährige Österreicherin mit einem autistischen Kind und vielen Problemen, allen voran ein fehlendes Selbstbewusstsein. Nach einem Aufenthalt im Frauenhaus und mehrere Anläufen bei Isop hatte sie schlussendlich alle Prüfungen und den Abschluss der Pflichtschule geschafft, der Berufswunsch Schneiderin war nun greifbar geworden. Und tatsächlich: die Schulleiterin Ilse Murnig erzählt: Jahre danach hatte man sich bei einer Vernissage wiedergetroffen. N. arbeitet nun als Kostüm-Schneiderin bei einem Theater -– was für eine Freude für alle, die diesen schwierigen Weg begleitet haben!
Und was wünscht sich das Team der Schule für die Zukunft, was wären gute Arbeitsbedingungen?
- Finanzielle Sicherheit für einen Zeitraum von mindestens 5 Jahren, damit eine solide Planung möglich ist (derzeit Finanzierungsunsicherheiten).
- Personelle und räumliche Aufstockung: mehr Raum für Gruppenarbeiten und einen Garten oder Hof zum Auslüften ( 36 Personen+ 6 Lehrkräfte ganztägig eingesperrt in 120m!)
- Eine ganze Stelle für die sozialpädagogische Betreuung. Das wird derzeit von einem Lehrer „nebenher“ mitgemacht, obwohl der Bedarf bei allen SchülerInnen evident ist.
- Die Rücknahme der abschlussbezogenen Finanzierung: seit einer Gesetzesnovelle vor zwei Jahren wird die Arbeit der Schule nur bei Abschlüssen voll bezahlt. In jeder anderen Schule undenkbar!!
- Keine jährliche neue Akkreditierung mehr, man beweist schließlich seit 1996 die Effizienz der Arbeit.
Fazit:
Für mich arbeitet diese Schule direkt an der „gesellschaftlichen Front“, dort wo die Probleme am sichtbarsten werden. Und das mit minimalen Mitteln und hoch engagiert. Es ist völlig kontraproduktiv , wieso eine solche Einrichtung nicht ausreichend unterstützt und ausgebaut wird, sondern ihre Arbeit durch die neuen Regelungen massiv erschwert wird. Wenn schon nicht aus bildungspolitischen oder humanitären Gründen, dann ist dies auch ökonomisch unsinnig. Es ist ganz leicht auszurechnen, dass Menschen ohne Schulabschluss und damit ohne fehlende Perspektiven langfristig dem gesellschaftlichen Gesamtsystem teurer kommen werden.
Heike Possert-Lachnit